Diese Systeme sollen die Menschen verteidigen, doch in Wirklichkeit
verstärken sie nur ihre Angst und verringern ihr Gefühl von Sicherheit.
Legionen von Polizisten, Bewachern, Sondertruppen, Geheim- oder
Offiziellagenten werden sich an den Kino-, Theater- und
Kaufhäusereingängen postieren. Bewacher werden diejenigen kontrollieren,
die Schulen und Kindergärten betreten. Gibt es aber genügend Bewacher,
um all die zu kontrollieren, die die U-Bahn nehmen? Wieviel Stunden vor
Spielbeginn soll man im Stadium sein, damit die Bewacher jede einzelne
Tasche der Fans durchsuchen können?
In Israel beispielsweise, wenn Sie Ihre Tasche oder Ihren Koffer eine
Minute absetzen, um einen Busfahrschein zu kaufen, ist es gut möglich,
daß diese binnen zwei Minuten durch einem Polizeiroboter vernichtet
werden. Tagtäglich werden dutzende von Straßen in Jerusalem wegen
suspekter Pakete von der Polizei abgeriegelt. Jeder Israeli weiß, dass
er wegen der Sicherheitskontrollen, wohin er auch will. doppelt so viel
Zeit einberechnen muss.
Eine El Al Maschine zu besteigen ist eine komplizierte Angelegenheit,
welche Verhöre und individuelle Durchsuchungen bedeutet. Das kommt
beinahe dem Versuch gleich, in eine Elite-Universität aufgenommen zu
werden. Ein großer Teil der Arbeitsplätze ist mit Sicherheit verbunden.
Eine enorme Menge an Energie, Kreativität, welche der Wissenschaft, der
Technologie und der Verbesserung der Lebensqualität nutzen könnten, wird
in die Sicherheit kanalisiert. Zum Schutz des Lebens werden die
individuellen Freiheiten und Rechte eingeschränkt.
Wahrscheinlich ist genau jetzt jeder westliche Staat dabei, sein
Abhörsystem privater Telefonleitungen und sein System zur Überwachung
der elektronischen Post auszubauen. Tausende von unschuldigen Zivilisten
werden jetzt festgenommen und werden weiter festgenommen werden - mit
dem Ziel der Verhinderung des nächsten Übergriffs. Eine ganze Armee an
Geheimagenten ist nunmehr ermächtigt, in die Privat- und Intimsphäre
einzudringen. Wir werden in den Straßen der Vereinigten Staaten,
Englands und Europas immer öfter und immer mehr bewaffnete Menschen
sehen. Bei jeder beliebigen kleinen Auseinandersetzung, sei es um einen
Parkplatz, wird die Anwesenheit dieser Waffen Folgen haben. Die Kurve
der Gewalt und des Verbrechens wird nach oben steigen, weil die Abzüge
locker sein werden. An exponierteren Orten wird es reichen zu sagen:
"Ich dachte, das sei ein Terrorist", um Schüsse auf Menschen zu
rechtfertigen.
Nicht allein die Länder werden sich mit einem dichten Sicherheitsnetz
zur Verteidigung eines normalen (das allerdings schon lange aufgehört
hat, normal zu sein) Lebens umgeben. Die individuelle Seele, die Seele
jedes einzelnen Menschen wird ebenfalls eine rigide und grobe Maske
überstreifen. Dies wird das erste Resultat des Lebens in Angst und
Verdächtigung jeder nicht vertrauten Person sein. So reagiert jeder
normale Mensch, der sich gegen den Schmerz, dass jederzeit ihm etwas
genommen werden kann, wehrt. Es ist die Unfähigkeit, der Routine zu
vertrauen, sei es nur eine Minute lang. Denn derjenige, der vertraut,
wird nicht in der Lage sein, wenn es passiert, den Schlag abzuwehren.
Das Schlimmste aber ist vielleicht, dass jeder, der einige Zeit im
Schatten des Terrors lebt, nicht mehr weiß, wie sehr er Sklave des
Kampfes um sein Überleben geworden ist, wie sehr er selbst schon Opfer
des Terrors geworden ist.
Es ist schwer zu akzeptieren, doch im gewissen Sinn siegt der Terror
immer.
Der Krieg, den man ihm erklärt, der Prozess, durch welchen man sich
daran gewöhnt, was er aus unserem Leben macht, verdirbt alles, was
kostbar und menschlich ist, alles, weshalb das Leben sich lohnt, gelebt
zu werden. Der erschrockene Bürger baut sehr schnell seinen eigenen
internen Mechanismus auf, der die Ausländer nach rassischen, nationalen,
ethnischen Kategorien katalogisiert.
Ob er es will oder nicht, er wird rassistischer, für Stereotypen und
Vorurteile empfänglicher. Unter diesen Bedingungen können politische
Parteien, die sich vom Hass vor den Fremden und vom Rassismus nähren,
prosperieren.
Das Leben der Minderheiten, insbesondere derjenigen, deren Aussehen dem
der verdächtigten Terroristen ähnelt, wird schwerer. Einige Wochen Leben
im Schatten des Terrors werden genügen, um jeder angeblich aufgeklärten
Nation die Schnelligkeit und die Brutalität vorzuführen, mit welcher sie
aus der Not eine Tugend machen kann und die Angst diktieren lässt.
Terror ist demütigend. Er wirft die Menschen auf eine präkulturelle,
gewaltvolle, chaotische Existenz zurück. Er bestimmt die Bruchstellen
einer Gesellschaft. Er bewegt einige, auch große Gruppen dazu,
gemeinsame Sache zu machen, um alles, was sie hassen, zu zerstören und
zu vernichten. Der Terror beinhaltet etwas, was wie ein Zersetzungsenzym
wirkt- er zersetzt den individuellen menschlichen Körper und den
öffentlichen Körper.
Der Terror macht uns die Tatsache bewusst, dass das Leben unter einem
befriedigten demokratischen Regime viel guten Willen erfordert, den
guten Willen der Bürger eines Landes. Das ist das wunderbare Geheimnis
der Demokratie, aber auch ihre Achillesferse.
Tatsächlich - wenn man so weit gekommen ist, dann sind wird alle
voneinander Geiseln. Die Terroristen setzen auf diese Tatasche und
zerstören damit das ganze Gewebe des Lebens.
Ich bedaure ihnen heute derartige Schwere schreiben zu müssen. Sie sind
auch mir unerträglich. Beim Schreiben werde ich mir des hohen Preises
meines Lebens als Israeli bewusst: Jeden Tag, in jedem Moment. In jedem
Traum, nachts - und bei jedem Abschied von meinen Kindern morgens.
Aber gerade jetzt, wo wir noch vom Schock überwältigt sind, wo jeder
vernunftbegabte Mensch an der Bösartigkeit und an der Grausamkeit, zu
welcher einige fähig sind, verzweifelt, will ich wiederholen: Wir alle
haben soviel zu verlieren! Was uns am Kostbarsten ist, ist derart
anfällig!
Ein Land, das gegen den Terror kämpft, kämpft nicht nur für die physische
Sicherheit seiner Bevölkerung. Es kämpft für den Grund unseres Seins,
für die Menschlichkeit, für alles, was eine Gesellschaft menschlich und
zivilisiert macht.