Israels Wirtschaftskrise:
"Made in Israel" in Not
Das Kabinett hat das Wirtschaftsnotprogramm von Finanzminister Silvan Shalom und
Premierminister Ariel Scharon gestern Nacht akzeptiert. 13 Billionen Schekel
werde so eingespart, auf die denkbar schlechteste Art und Weise, wie die meisten
Menschen im Land finden. Noch ist die Zustimmung der Knesseth nötig und Minister
Shalom rechnet mit einem harten Kampf.
Die Gewerkschaften sind sich sicher: "Der
Plan verschlechtert die Beschäftigungslage". Führende Industrielle drohen mit
einem "Steueraufstand". Der Kreis der von den Wirtschaftsmaßnahmen Betroffenen
umfaßt Sozialleistungsempfänger, Autobesitzer, Landwirte, Industrielle,
Angehörige von Gefallenen und Terroropfern und Einwanderer.
Die Hast, mit der einige der
einschneidendsten Wirtschaftsmaßnahmen abgesegnet wurden, die Israel in den
letzten Jahren erlebt habt, ist sehr befremdlich. Weil aber klar ist, daß die
Zeit drängt und man die Wirtschaft nicht in wenigen Wochen komplett
revolutionieren kann, beschloss man, von allem und von allen ein bisschen zu
nehmen: hier ein paar Einsparungen, dort ein paar Steuern und sehr viele
Fragezeichen. Alle werden zur Kasse gebeten, Kindergeldkürzungen, Benzinsteuer,
Zigaretten und vieles mehr.
Doch Scharon versucht zu beruhigen:
"Keine retroaktiven Steuern auf Sparprogramme und Börsengewinne; wir werden die
Behinderten und sozial Schwachen nicht antasten" Stattdessen eine Börsensteuer,
die sicher von vielen mit Entrüstung aufgenommen wird. Eine annehmbare
Verteilung der wirtschaftlichen Belastung?
Dagegen steht der "geniale" Vorschlag des
Vorsitzenden des Finanzausschusses Ya'akov Litzman - Kriegssteuer in Höhe von 2
% für alle Gehaltsempfänger, die über 12.000 NIS verdienen, anstatt der Kürzung
des Kindergeldes für Ultraorthodoxe, die nicht in der Armee gedient hat. Das ist
die Krux, der Vorschlag beleuchtet die wirklichen sozialen Auseinandersetzungen.
Doch wohin steuert Sharon? Welches soziale Modell hat er vor Augen? Wie im
politischen so auch im wirtschaftlichen Bereich, über den er sich überhaupt
nicht äußert, hat er kein Konzept und keine Richtung. Scharon bewegt sich auch
auf diesem Pakett wie ein Elefant im Porzellanladen. In Anspielung auf die
Minister der Arbeitspartei sagte er: "Ich schlafe jede Nacht nur 2-3 Stunden,
ich habe keine Zeit, mit jedem Minister zu feilschen".
Unterdessen setzt der Dollar seinen
Steilanstieg fort und kostete teilweise bereits über fünf Schekel. Der
Kursabsturz auf dem israelischen Kapitalmarkt zeigte ganz eindeutig, dass die
Regierung ungefähr alle erdenklichen Fehler bei der Vorstellung des
Wirtschaftsnotstandsplanes gemacht hat. Nicht nur dass der Finanzminister und
die führenden Beamten seines Ministeriums die schlimme Wirtschaftslage viel zu
lange ignoriert haben, die Informationen kamen schließlich zu spät und zu
unklar, der Markt reagierte völlig verunsichert.
Auf einmal wird die Gefahr des
andauernden Konfliktes mit den Palästinensern sichtbar, auf einer ganz anderen
Ebene als den täglichen Bildern von Beerdigungen in den Abendnachrichten. "Sie
bringen uns langsam um" titelte die Zeitung Maariv. "Die Palästinenser besiegen
uns an der wirklich wichtigen Front - der Weltwirtschaft. Bereits jetzt zeichnet
sich der bedeutendste strategische Erfolg der Al-Aksa-Intifada ab: das Ende des
europäisch-amerikanischen Traums des Staates Israels. Immer mehr israelisches
Kapital fließt ins Ausland. Dazu kommen das offizielle und inoffizielle Embargo
europäischen und asiatischer Staaten, der Boykott israelischer Waren, das
Ausbleiben ausländischer Investitionen usw. und die akute sozioökonomische Krise
in Israel, deren Ende nicht abzusehen ist. Die israelische Wirtschaft bricht
zusammen. Das liegt nicht nur an der steigenden Arbeitslosigkeit, den neuen
Sparmaßnahmen und Steuern, der Armut. Das zentrale Problem ist die Tatsache,
dass der Krieg mit den Palästinensern sich auf die Wirtschaftsebene verlagert
hat."
Und in Jedioth Achronoth ist die Rede von
wirtschaftlichen Aspekten der nationalen Stärke: "Nationale Stärke wird bei uns
fast immer nur mit dem militärischen Aspekt in Zusammenhang gebracht. Natürlich
muss der Schutz der Bürger eine der höchsten Prioritäten sein, aber die
Politiker sollten die nationale Stärke durch eine breitere Linse betrachten. Das
Bruttosozialprodukt, der Export, die Wachstumsprognosen, das
Beschäftigungsniveau, die Krediteinstufung und die Haushaltsbalance der Staates
sind ebenfalls Teil des Bildes. Deshalb sollten diese Punkte bei den derzeitigen
militärischen und politischen Entscheidungen in Betracht gezogen werden. (...)
Es ist an der Zeit, die internationalen Aspekte der Wirtschaftslage zu
betrachten. Interne Wirtschaftsmaßnahmen sind natürlich wichtig, aber
gleichzeitig sollte sich aktiv und energisch mit der internationalen
Wirtschaftsarena auseinandergesetzt werden, anstatt diese zu ignorieren. Wenn
"Made in Israel" in Not ist, dann sollte es die Führung in Israel weitmöglichst
vermeiden, neue Fronten zu eröffnen, und gleichzeitig sollte weltweit
Aufklärungsarbeit betrieben werden, die sich mit dem Schaden befassen sollte,
der den ausländischen Märkten durch eine Verschlechterung der Beziehungen zu
Israel entstehen würde. Weiterhin muss den Herstellern und Exporteuren dabei
geholfen werden, die sich entwickelnden wirtschaftlichen Drohungen effektiv zu
bekämpfen, so wie es in den Tagen des arabischen Boykotts der Fall war. Wenn wir
uns diesbezüglich an die Freunde Israels wenden, werden wir ihre Hilfe
sicherlich erhalten."
aue / haGalil onLine 30-03-2002 |