Israels Mr. PR
Ex-Premier
Netanjahu wirbt weltweit für die Politik von Scharon
Von
Thorsten
Schmitz
Jerusalem – Benjamin
Netanjahu ist in den Vereinigten Staaten zu Hause. Er hat dort studiert,
gearbeitet und die besten Freunde. Fast jeden Urlaub verbringt Netanjahu
zwischen Los Angeles und New York. In der vergangenen Woche flog er zu
einem dienstlichen Einsatz an die Ostküste Amerikas – der Auftraggeber
für die Reise war Netanjahus Erzfeind. Israels Premierminister Ariel
Scharon ist es gelungen, seinen Intimfeind auszustechen, indem er ihn in
Regierungsaufgaben eingebunden hat: Netanjahu soll in seinem
geschliffenen Amerikanisch Israels Position in den USA verdeutlichen,
was nach dem ungeduldigen "Genug ist genug" von US-Präsident George W.
Bush zur Operation "Schutzwall" nötiger denn je wurde. Während Scharon
von seinen Medienberatern für Interviews in Englisch nur selten ein Okay
bekommt, weil seine Kenntnisse der Sprache katastrophal sind, lässt sich
Netanjahu willkommen heißen in Washington, Dallas und New York, als sei
er der Regierungschef.
Eskortiert von mitunter bis zu
sechshundert Bodyguards und Polizisten, hielt Netanjahu vergangene Woche
flammende Reden über das Recht Israels, sich verteidigen zu dürfen. Bei
Gesprächen mit Vizepräsident Dick Cheney und Sicherheitsberaterin
Condoleezza Rice, 40 Senatsabgeordneten und den amerikanischen Medien
verwies Netanjahu darauf, dass die Vereinigten Staaten einen weltweit
legitimierten Krieg gegen den Terrorismus führten, "während Israel
dasselbe nicht erlaubt sein soll?"
Zu Hause in Israel verfolgen die
Zeitungen mit unverhohlenem Stolz, dass der eloquente Netanjahu Bushs
Administration mit links in den Bann zieht. Selbst die linke Zeitung
Haaretz vergibt ihm das Prädikat "Israels Mr.PR". Solange Netanjahu in
den USA weilt – so die Einschätzung der israelischen Regierung – können
die Truppen noch ein paar Tage länger in den palästinensischen
Autonomiegebieten bleiben. So stark sei die Überzeugungskraft des Phönix
aus der Asche Netanjahu, dass sich inzwischen sogar der Ton der
Bush-Regierung gegenüber Jerusalem geändert habe.
Bis vor kurzem war eine
Zusammenarbeit von Netanjahu und Scharon undenkbar, denn die beiden sind
sich spinnefeind. Netanjahu, der im Zentralkomitee des Likud über weit
mehr Anhänger verfügt als Scharon, hat in den vergangenen Monaten
mehrmals die Politik Scharons kritisiert und in Interviews stets sein
Rezept für ein Ende der Intifada vorgestellt. Ginge es nach ihm, würde
Palästinenserpräsident Jassir Arafat ins Exil deportiert, die
Autonomiebehörde völlig zerschlagen und über die Palästinensergebiete
wieder eine israelische Administration erhoben. So lange, bis sich ein
palästinensischer Führer finde, der Israels Existenzrecht akzeptiere und
die Forderung nach einem generellen Rückkehrrecht palästinensischer
Flüchtlinge fallen lasse.
Netanjahus Vorschläge lassen
Scharons Einmärsche als harmlose Trainingsübungen erscheinen, schrieb
Time in der vergangenen Woche. Sie sind zugleich Wahlkampfgetöse des 52
Jahre alten Politikers, der im November 2003 wieder Premierminister
werden möchte. Insofern könnte sich der amtierende Premier Scharon durch
die Berufung Netanjahus selbst ins Aus manövriert haben. Indem er
Netanjahu weltweit für Israels Position werben lässt, vergrößert er nur
das Verlangen vieler Israelis nach einem gut aussehenden und agilen
Premier, der die Sicherheit bringt, von der Scharon zwar dauernd
spricht, die er aber bis heute nicht erreicht hat.
haGalil onLine 17-04-2002 |