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Judentum und Israel
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Jüdische Weisheit
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Frei von Gestern

Krieg ohne Grenzen:
Israel, die Intifada und die Mythen von 1948

Die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten hat in den letzten Tagen bedrohlich zugenommen, und alle Welt ist einmal mehr entsetzt. Dabei folgt sie lediglich einer Logik, einer gewissen Sehnsucht beider Konfliktparteien, die sich bereits im vergangenen Jahr in Camp David entwickelt hat. Denn als die Palästinenser dort bei den gescheiterten Verhandlungen die Flüchtlingsfrage ansprachen und für rund 3,8 Millionen Palästinenser ein Rückkehrrecht ins Kernland Israels forderten, war dies vor allem für die israelische Linke ein Schock.

Diese Forderung bedeutete implizit eine Auflösung des jüdischen Staates mit friedlichen Mitteln. In der öffentlichen israelischen Diskussion fragte niemand mehr nach Details: Ob dieses Rückkehrrecht eventuell nur symbolisch gemeint war, und Arafat vielleicht mit Kompensationszahlungen und einer öffentlichen Anerkennung einer Teilschuld der Israelis am palästinensischen Flüchtlingselend zufrieden gewesen wäre. Das Entsetzen über das Rückkehrrecht saß zu tief und machte den aufgeklärten Israelis schlagartig klar, dass der Kern des Konflikts nicht „1967“ ist, also der 6-Tage-Krieg mit den heute besetzten Gebieten, sondern „1948“, der so genannte Unabhängigkeitskrieg des damals soeben gegründeten Staates, von den Arabern „Nakba“ genannt: die Katastrophe.

Für die friedenswilligen Israelis war dieser Schock gleichsam das Erwachen aus einem Traum. Dem Traum, dass mit der Rückgabe der Gebiete der Frieden beginnen könnte. Doch anstatt sich nun mit der aktuellen Situation auseinander zu setzen, flüchtete man sich lieber in eine neue Illusion, die ausgerechnet die israelische Rechte ins Leben rief, dankbar für die Steilvorlage der Palästinenser. „Wir befinden uns immer noch mitten im Unabhängigkeitskrieg“, tönten vollmundig Politiker des Likud und anderer rechter Parteien. Manche formulierten die Situation scheinbar präziser: Man befände sich in einem „zweiten Unabhängigkeitskrieg“. Mit solchen Slogans wurde ein Diskurs eröffnet, der die israelische Gesellschaft schlagartig an ihren Ausgangspunkt vor 53 Jahren zurückwarf. Mit diesem ideologischen Trick gelang es der Rechten, einen Zustand zu postulieren, der ihren politischen Zielen entsprach.

Gewalt, und mehr davon

Der Unabhängigkeitskrieg war ein Krieg um Sein oder Nichtsein, ein Kampf um die Etablierung des jüdischen Staates, eine Auseinandersetzung, in der sich das Schicksal des jüdischen Volkes ein- für allemal entscheiden sollte. Eben das versucht die Rechte den Israelis in der gegenwärtigen Situation zu suggerieren. Damit aber wird jeder politische und vor allem militärische Schritt legitimiert – es geht ja stets ums Überleben des Staates.

Diese Manipulation eröffnet eindrucksvolle Möglichkeiten: Wenn der Unabhängigkeitskrieg noch andauert, dann gibt es, wie 1948, keine Grenze, dann ist die „Grüne Linie“ Makulatur, dann ist es ebenso legitim, in der Siedlung Ariel zu leben wie in Tel Aviv, denn dann haben die Siedlungen in den besetzten Gebieten denselben Status wie die Wehrsiedlungen der Pioniere. Sie dienen dazu, das Kernland vor dem Untergang zu schützen, und niemand muss sich damit auseinander setzen, dass eben sie das Hauptproblem des heutigen Konflikts sind, dass der Staat längst gegründet und vor allem – anders als 1948 – etabliert ist.

Mehr noch, der Unabhängigkeitskrieg von 1948 war für die junge israelische Nation der Beweis, dass die Ausübung von Gewalt zum Erfolg führt. Genau dies will die Rechte erneut beweisen: Verhandlungen haben keinen Sinn mehr, die Araber verstünden nur die Sprache der Gewalt. Und ihre angebliche Verhandlungsbereitschaft sei nichts als der Versuch, Trojanische Pferde zu platzieren. Das Rückkehrrecht wäre ein solches.

Dass jüngste Äußerungen führender palästinensischer Politiker dieses schiefe Weltbild auch noch stützen, beweist nicht, dass die israelische Rechte im Recht ist, sondern zeigt lediglich die Absurdität des Konflikts. Denn auch die palästinensische Gesellschaft muss ihre Intifada durch die Schaffung von Mythen am Leben halten, muss Lügen, Träume und Illusionen schaffen, um den Kriegszustand aufrecht zu erhalten. Dass Marwan Barghouti, der Führer der Tanzim-Milizen in Ramallah, erst vor kurzem bestätigte, das palästinensische Volk wolle nach wie vor die Befreiung ganz Palästinas erreichen, überraschte nicht wirklich und wurde in Israel mit entsprechender Gelassenheit aufgenommen.

Anders dagegen wirken sich die „letzten Worte“ des im Mai verstorbenen Faisal Husseini aus, die vor kurzem bekannt wurden. Husseini, mächtiger Vertreter Arafats in Ost-Jerusalem mit Amtssitz im Orient House, galt auch in israelischen Kreisen als moderater Mann, der sich stets für eine Koexistenz der beiden Völker einsetzte. Doch nun wurden seine Reden in Beirut und Teheran vom Beginn dieses Jahres bekannt. In Anwesenheit von Hisbollah- und Jihad-Führern erklärte er, das „Endziel der Palästinenser sei die Befreiung des historischen Palästinas vom Jordan bis zum Mittelmeer“. In solchen Worten schwingt das Gerede vieler arabischer Politiker von einst mit, bis hin zu Gamal Abdel Nasser, die stets damit drohten, die „Juden ins Meer zu werfen“. Auch hier also eine geistige Rückkehr nach 1948.

Dass das politische Kalkül der israelischen Rechten ausgerechnet bei der Linken offene Türen einrennt, da sie auf einen entsprechenden Gemütszustand trifft, ist eine weitere Umdrehung der absurden Spirale, die das perpetuum mobile des Nahost-Konflikts in Bewegung hält. Wenn es eine sprichwörtliche Charakterisierung des typischen Israelis gibt, dann die, dass er selbst beim Liebemachen noch die Nachrichten hört und auf jedes Problem mit „Jihije Beseder“ (Es wird schon alles gut gehen) antwortet. Beides ist inzwischen nicht mehr der Fall. Der Zweckoptimismus ist einer Verweigerungshaltung gewichen, die mittlerweile als schick gilt. Man hört keine Nachrichten mehr, weil diese keine Informationen mehr liefern, sondern, unter Austausch von Namen und Orten, nur noch „more of the same!“. Diese Verweigerung mündet bei den Linken in eine verzweifelte Sehnsucht nach 1948, jener „guten, alten Zeit“, in der die Armee noch ethisch war, die Großeltern heldenhaft, und der Staat zwar klein, aber vereint. Als ein Krieg noch gegen Armeen und nicht gegen Frauen, Kinder und „Terroristen“ geführt wurde. Es waren jene „Tage der Unschuld“, wie sie heute gerne in israelischen Schlagern besungen werden. Mit dieser Sehnsucht wird der Mythos von 1948 zusätzlich mit einem Glorienschein versehen, der es unmöglich macht, der Realität von damals ins Gesicht zu schauen, die mitverantwortlich für die Situation heute ist.

Und damit herrscht nun tatsächlich ein neuer Unabhängigkeitskrieg. Für die Palästinenser, weil sie entschlossen sind, ihre Intifada diesmal solange fortzuführen, bis Jerusalem befreit ist; für die Israelis, weil sie entschlossen sind, ihren Staat endgültig im Nahen Osten zu etablieren, um ihn ein für allemal zu einem sicheren Hafen für Juden aus aller Welt zu machen. Die Mythen schaffen brutale Fakten. Das Ergebnis ist das tagtägliche Vergießen von Blut und Tränen auf beiden Seiten. Der Krieg wird zum identitätsstiftenden Selbstzweck, den beide Völker benötigen, um die innere Einheit zu bewahren. Und kein Mitchell-Plan wird diesen fatalen Kreislauf durchbrechen.

RICHARD CHAIM SCHNEIDER / sz 010801

haGalil onLine 08-10-2001

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