Freitag, 20. Juli 2001
Militäreinsatz gegen die Autonomiebehörde?
Kampf um den richtigen Weg zum Frieden
Israel streitet über die Option, mit einem massiven
Militäreinsatz gegen die Autonomiebehörde den Nahost-Konflikt zu lösen
Von Thorsten Schmitz
Selbst einer der mutigsten Politiker Israels ist in
diesen Tagen erfüllt von Pessimismus. In seinem ersten Interview nach
der Wahlniederlage im Februar mit dem US-Magazin Newsweek entwirft Ehud
Barak ein düsteres Bild für den Nahen Osten. Palästinenserpräsident
Jassir Arafat sei „kein palästinensischer Sadat oder König Hussein.
Arafat ist für einen Friedensvertrag nicht bereit“. Israel bleibe nichts
anderes übrig, als auf die Generation zu warten, die Arafat folgt.
Über die zunehmenden Gerüchte und Hinweise, die
israelische Armee plane einen gewaltigen Militärschlag gegen Arafats
Autonomiebehörde, sagt Barak, dies sei eine Option der Situation Herr zu
werden. Es müsse allerdings die letzte sein in einer Kette von
diplomatischen Versuchen. Auch müsse zuvor sichergestellt sein, dass die
internationale Staatengemeinschaft „begreift, weshalb Israel
zurückschlägt“. Ansonsten bestünde die Gefahr der Isolation. Glaubt man
den israelischen Medien, verschwendet Premierminister Ariel Scharon
derzeit nicht viele Gedanken über eine mögliche Isolation Israels.
Vielmehr liefen die Pläne für einen Militärschlag bereits auf
„Hochtouren“. Generalstabschef Schaul Mofaz habe dem Sicherheitskabinett
einen Plan vorgelegt, was nach dem nächsten verheerenden Bombenanschlag
passieren soll: die Zerstörung der Palästinensischen Autonomiebehörde
sowie die Vertreibung Arafats ins Exil. Mofaz sei der Ansicht, jeder
andere als Arafat sei besser.
Dies deckt sich mit Äußerungen Scharons, der zum
wiederholten Male Arafat als „Mörder“ bezeichnete. Zudem haben seit
Dienstag israelische Truppen und Panzer Positionen an den Grenzen zu
palästinensischen Autonomie-Regionen wie Nablus, Dschenin und Bethlehem
bezogen. Die Armee spricht zwar von einer „reinen
Abschreckungsmaßnahme“, der gewöhnlich gut unterrichtete britische
Fachverlag Jane’s dagegen
sieht darin bereits die Vorstufe zum Krieg. Jane’s zufolge rechnet die
israelische Armee mit bis zu 40000 toten und internierten Palästinensern
und 300 israelischen Todesopfern. Eingesetzt würden dann auch die
Kampfflugzeuge des Typs F 16.
Auch in Scharons Kabinett wird der Ruf nach einem
solchen Schlag immer lauter. Rechte Minister wie Usi Landau und Reuven
Rivlin haben bereits mehrfach Arafats Entmachtung verlangt. Die
Gespräche, die Außenminister Schimon Peres mit Arafat in jüngster Zeit
führte, wurden von fast allen Kabinettsmitgliedern kritisiert. Arafat
sei kein Partner mehr. Peres dagegen vertritt die Auffassung, die
Besatzung der Palästinenser mit militärischen Mitteln aufrechterhalten
zu wollen, sei einerseits nicht zeitgemäß, die Palästinenser bräuchten
ihre Freiheit. Andererseits hätte jeder Militärschlag einen
Bumerang-Effekt. Auch der frühere Justizminister Jossi Beilin warnt
Scharon davor, im Militär ein Allheilmittel zu sehen. Israel habe als
demokratische Trutzburg innerhalb einer arabischen Region keine
Überlebenschancen. Sollte Scharon glauben, er könne die Palästinenser
militärisch besiegen, „wird Israel zu einer Episode in der Geschichte“.
Beilin und andere Intellektuelle fordern Scharon auf, trotz der Gewalt
politische Verhandlungen mit Arafat aufzunehmen. Kriege hörten nicht von
alleine auf. Die Abwesenheit eines Friedensprozesses führe die Region an
den Abgrund. USA und EU haben in den letzten Tagen ähnlich argumentiert.
Scharon steht unter erheblichem innenpolitischen Druck.
Seine Koalition läuft Gefahr, in Friedenstauben und Falken auseinander
zu brechen. Und seine Wähler, Siedler und Rechte, drohen mit
Eigeninitiative, falls die Regierung nicht massiv zurückschlägt.
Schließlich sei er mit dem Versprechen angetreten, Israel Sicherheit zu
bringen. Tatsächlich aber ist die Lage in Israel seit seinem Amtsantritt
so düster wie zur Zeit der Staatsgründung.
haGalil onLine
22-07-2001 |