Ein Festtag mit Hochs und Tiefs
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 16.04.2002
Israels 54. Unabhängigkeitstag erwischt unsere Nation bei einer Stimmung auf
dem Nullpunkt. Das Verheißene Land ist zu einem Land der
Sicherheitskontrollen geworden - zu einem Land, dessen Bürger Angst haben,
durch die Straßen zu gehen. Zum
ersten Mal nach vielen Jahren erhebt sich auch drohend der Schatten der
ökonomischen Krise. Investoren fliehen und aus der aussterbenden
Tourismusbranche erwächst ein ernst zu nehmendes Finanz- und Umweltdesaster.
Die internationalen Medien sind zu ihren Symposien und Meinungsumfragen
von einst zurückgekehrt und erforschen die Frage, wie lange Israel
überleben wird, wenn überhaupt. Und als ob das nicht genug wäre,
befindet sich das Land inmitten einer globalen Imagekrise. Von
Australien bis Amerika - überall auf der Welt haben sich moslemische
Demonstranten (20 Millionen Moslems leben in Europa) den örtlichen
Antisemiten angeschlossen, um ein giftiges Kombinat gegen die Ethik des
israelischen Kampfes um sichere Grenzen zu schaffen.
Sharon, der Arafat isolierte, hat eine noch nie dagewesene weltweite
Isolation über uns gebracht. So wie die Dinge im Moment aussehen,
befindet sich Israel in einem militärischen und politischen Trott. Die
Stars der Show sind zwei sture, starrköpfige Führer, die seit 30 Jahren
eine blutige Rechnung begleichen und die bereit sind, sich bis zum
bitteren Ende wie zwei Kampfhähne gegenseitig zu zerkratzen.
Und so mögen die traditionellen
Feierlichkeiten zwischen der einen Beerdigung und der anderen, zwischen dem
einen Bombenalarm und dem nächsten, zwischen einem Kleinkrieg und einem anderen,
bei dem Gefahr läuft, dass er zu einem großen wird, zwar stattfinden, aber das
Herz jubelt nicht.
Die Wahrheit ist jedoch, dass das
alles überhaupt nicht neu ist. In der 54jährigen Existenz Israels gab es
keinen Unabhängigkeitstag, an dem sich das Land nicht in irgendeiner
Weise in irgendeinem Kriegszustand befand. Israel ist in dieser Welt
auch das einzige Land dieses Alters, das keine festen Grenzen und kein
Friedensabkommen mit seinen Nachbarn hat. Diese umliegenden Länder und
die terroristischen Organisationen, die sie beherbergen, drohen Israel
mit der totalen Vernichtung. Stunden, nachdem David Ben Gurion voller
Freude die Gründung des Staates Israels proklamiert hatte, überfielen
die arabischen Armeen diesen neuen Staat mit der Absicht, ihn mit einem
Schlag zu zerstören.
Heute zahlen die Palästinenser den Preis für den Hass und die Arroganz
der arabischen Nationen, die den Teilungsplan ablehnten und somit die
Verwirklichung eines Staates verhinderten. Die Territorien, die nun das
Epizentrum der blutigen Auseinandersetzung sind -der Gazastreifen und
die Westbank, inklusive Jerusalem- waren 19 Jahre lang in ägyptischer
und jordanischer Hand. In dieser ganzen Zeit kam es diesen Ländern nie
in den Sinn, einen Staat für die Palästinenser zu gründen.
In unserer 54jährigen Existenz haben wir fünf große Kriege geführt. Zwischen
dem einen Krieg und dem nächsten, zwischen Terroranschlägen und
Zermürbungskriegen, von einem Unabhängigkeitstag zum anderen, erfuhr Israel
ein 14jähriges Waffenembargo der USA, arabische Boykotte, die Bedrohung
durch russische Raketenangriffe, eine harte Zeit der Sparsamkeit,
ökonomische Notlagen und eine Inflation, die auf 450 Prozent anwuchs. Doch
trotz unserer kleinen Größe, trotz der Kriege, des Terrors und der Boykotte
ist Israel zu einem prächtigen Land geworden.
Ein Wunder in den Augen der ganzen Welt, praktisch eine globale Macht.
Ein gesetzestreues Land, ein Land, in dem Meinungsfreiheit herrscht, die
einzige Demokratie in der Region. Während die öl-reichen arabischen
Nationen ihre Brüder, die palästinensischen Flüchtlinge, über Jahrzehnte
hinweg in Lagern unterbrachten, hat Israel -bei einer Bevölkerungszahl
von 600.000- Millionen von Shoah-Überlebenden, jüdische Flüchtlinge aus
arabischen Ländern und Juden aus der Sovietunion aufgenommen. Kein
anderes Land der Welt hat seine Bevölkerungszahl in einer solch kurzen
Zeitspanne mit sieben multipliziert.
Bei gewissen arabischen Führern hat es 20 bis 30 Jahre gedauert, bis sie so
klug geworden sind und erkannt haben, dass es nicht möglich ist, Israel mit
Gewalt zu eliminieren, dass wir im Guten hier sind und eine überwältigende
Mehrheit an das Prinzip "Land für Frieden" glaubt, solange sich auf der
anderen Seite jemand befindet, der bereit ist zu reden anstatt zu schießen
und zu bomben.
Doch die Israelis haben eine manisch-depressive Neigung. Wenn die Dinge gut
laufen, steigt ihre Euphorie bis in den Himmel hinauf und sie denken, sie
können alles tun, was sie wollen - beispielsweise Siedlungen in den
Territorien bauen. Wenn die unvermeidliche Explosion kommt, sind sie Meister
darin, Dampf abzulassen und zu heulen als wäre es das Ende der Welt. Für ein
Land, das seit dem Tag, an dem es geboren wurde, zwischen Hochs und Tiefs
hin- und hergeschaukelt wurde, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es sich
wieder erholt hat und sich erneut seinen Geschäften zuwendet. Entweder wird
Amerika mit beiden Beinen dazwischentreten oder wir werden ein Abkommen über
eine Feuerpause unterschreiben und mit Verhandlungen beginnen oder Arafat
wird ausgewiesen oder Sharon wird abgesetzt oder beide Führer gehen nach
Hause. "Was auch immer geschieht", wie der Pilot in dem bekannten Witz sagt,
"wir werden nicht in der Luft bleiben."
haGalil onLine 16-04-2002 |