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Judentum und Israel
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Jüdische Weisheit
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Über die Schwierigkeit, einem Kind aus einer laizistischen jüdischen Familie verständlich zu machen, dass im israelisch-palästinensischen Konflikt der Starke und der Schwache nicht unbedingt diejenigen sind, die man annimmt.

Wie erklärt man es David?

Von Philippe GUMPLOWICZ, Marc LEFEVRE, André TAGUIEFF

David ist ein zwölfjähriges Kind, Sohn eines der Unterzeichner dieses Artikels. David wächst in einer jüdischen, laizistischen, politisch linksorientierten Familie auf, in welcher die Bindung an Israel dem Rahmen der Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Solidarität zugeschrieben ist.

Auf dem Schulhof, beim Fußballspielen sind seine Freunde "beurs" (die Familie lebt in Frankreich, "beurs" sind Maghrebiner der 2., bzw. 3 etc. Generation, Anm.d.Ü.). Doch einige unter ihnen haben ihn bedroht und beleidigt ("Ihr Juden, bringt arabisch-palästinensische Kinder um"). Und seine Eltern mußten eine schulische Institution alarmieren, welche sich blind oder naiv gegenüber einer mittlerweile in Schulpausen üblich gewordenen Gleichsetzung von "beurs" und Araber einerseits und Juden und Israelis andererseits verhält.

Im Fernsehen sieht David täglich das Sterben im Nahen-Osten. Er versucht zu begreifen, er äußert sich. Er empfindet das Leiden des palästinensischen Volkes und das kriminelle Grauen der Selbstmordattentaten mit, die nach dem Zufallsprinzip Israelis treffen. Und er spricht das nach, was die Mehrzahl der französischen Medien unermüdlich einhämmert: die palästinensischen Attentate sind zwar zu verurteilen, doch antworten sie auf die Siedlungen in den seit 1967 besetzten Gebieten. Wie soll man David erklären, daß, wäre die Evakuierung der israelischen Siedlungen das politische Ziel der Palästinenser gewesen, dann wäre dies längst über die Camp David Verhandlungen erreicht worden. Barak hatte die Tabus vertrieben, welche die israelische Bevölkerung verblendeten: den Mythos eines vereinigten Jerusalem, den Mythos der Forsetzung dieser Besiedlungspolitik.

Eine Umfrage, welche in Israel unmittelbar nach dem mörderischsten Wochenende seit 1996 stattfand, zeigt, daß ein Drittel der Befragten weiterhin einem politischen, vorbedingungsfreien Dialog mit den Palästinensern aufgeschlossen ist, und geht damit weit über die Positionen ihrer Regierung der nationalen Einheit hinaus. Mit der bemerkenswerten Ausnahme einer extremistischen Fraktion, strebt jeder Israeli heute nur eins an: daß ein palästinensischer Staat ihn ein für alle mal in Frieden läßt. Und auf den Tel-Aviver Straßen tanzt niemand  bei der Bekanntmachung des Todes eines Palästinensers.

Ja, aber... Es gibt die israelische Repression. Wie soll man einem zwölfjährigen Kind, dem die Prinzipien einer für alle gleiche republikanische Gerechtigkeit beigebracht worden sind, verständlich machen, daß der blinde Angriff auf das Leben von Jugendlichen, die leben wollen, die sich vergnügen wollen, oder der Angriff auf das Leben von Arbeitenden, die den Bus nehmen, weil sie nicht die Mittel haben, mit einem PKW zu fahren, nicht dasselbe ist, wie das Vorhaben, Wiederholungstäter und Attentatsvorbereiter zu eliminieren? Diese zielgerichteten Morde nähren jedoch die Attentate, sagt dazu David. Was tun? Nichts erwidern? Keinerlei Staat, keinerlei Zivilisation würde das überleben.

Ein Kind jedoch wünsch eine eindeutige Benennung von Verantwortlichen und Unschuldigen. Die Verantwortlichen? Diejenigen, die auf israelischer Seite eine zu den Justizprinzipien, auf welche der jüdische Staat vor fünfzig Jahren seine Unabhängigkeitserklärung gründete, antinomische Siedlungspolitik betrieben haben. Eine breit geteilte Verantwortung: Yasser Arafat hat die Verhandlungen des Friedenprozeßes torpediert, welche einen Ausgang aus dieser Situation ermöglich hätten.

Die Unschuldigen? Das ist dieses palästinensiche Kind, das in einem Flüchtlingscamp geboren ist, dem keinerlei Hoffnung einer persönlichen oder kollektiven Entfaltung geboten wird. Aber bedeutet Opfer einer bestehenden Situation zu sein das Recht auf endloser Rache? Angesichts von Terroristen, die dem Zufallsprinzip nach töten, ist man beinah verlegen, daran zu erinnern, daß kein einziger Armenier sich in Ankara in die Luft sprengte, ebenso ließ kein Überlebender der Shoah mit einem Sprengstoff geladenen Wagen die Überbleibsel des Reichtstages explodieren.

Man muß also diesem zwölfjährigen Sohn erklären, daß der Starke und der Schwache nicht diejenigen sind, die man dafür hält. Aufgrund seiner Armee und seiner Technologie macht Israel den Eindruck der Stärke. Doch: ein Israeli, der unruhig wird, sobald sein Kind zur Schule aufbricht, fühlt sich schwach, in seinem eigenen Fleisch bedroht.

Das palästinensische Volk, schwach? Ja, aber für die Führer, die auf ein Groß-Palästina nicht verzichtet haben, haben die menschlichen Verluste und die Leiden ihres Volkes nur wenig Gewicht, gemessen an der Erfüllung ihres Ziels. Die palästinensischen Islamisten können ihre tiefe Ablehnung einer Lösung ausdrücken, bei der ein jüdischer und ein palästinensischer Staat koexistieren würden. Für sie zählt die Zeit nicht, und das ist ihre Stärke.

Heute jedoch erweist sich die Intifada als offensichtliches Scheitern. Das palästinensische Volk ist mehr denn je von einer akzeptablen Lösung in Form eines historischen Kompromißes, das ihm erlauben würde, sich auf den Aufbau einer Nation und deren ökonomischen Entwicklung zu konzentrieren, entfernt. Die mörderischen Attentate und deren Repressionsgefolge haben die israelischen Befürworter einer mutigen Kompromißpolitik wortwörtlich an die Wand genagelt. Yasser Arafat, durch seine Unbeständigkeit, ist den rechten israelischen Extremisten entgegengekommen, welche nur die Politik der Stärke verfolgen.

Die Hoffnung und die Vernunft sind die großen Verlierer einer, nach den Vorstößen von Camp David, in verantwortungsloser Flucht nach vorn ausgelösten Intifada.
Die Bilder aber überfluten uns und die Emotionen sind stärker als die Reflexion. Wie kann man das einem zwölfjährigen Kind erklären? Oder einem Freund, der Musiker ist? Unseren übrigen Freunden, - die "beurs", jüdisch oder laizistisch oder auch "reine" Franzosen sind - mit denen wir ansonsten über alles andere einverstanden sein können?

Philippe Gumplowicz, Autor des "Roman du jazz & raquo", ersch. b. Fayard. Marc Lefèvre, Physiker ist Gründungsmitglied von Schalom-akhshav. Pierre-André Taguieff, Forscher, ist Autor von "La Nouvelle Judéophobie", bei Mille et Une Nuits Mitte Januar erschienen.
04 Januar 2002/Libération

haGalil onLine 16-01-2002

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