Stickeralbum israelisch:
Kriegsspielchen für die Ferien
Von einem "Kuriosum" berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz in der
vergangenen Wochenendausgabe. Israelische Kinder können an Kiosken in Jerusalem
kleine Alben zum Stickersammeln kaufen. Bis dahin noch scheint noch alles
normal, das machen alle Kinder, vor allem in den Sommerferien, wo genug Zeit
ist. Dieses Heftchen regt allerdings zum sammeln von Kriegsmemorabilia an.
"Krieg und Frieden" heißt das Album, das für nur zwei Shekel an einigen Kiosken
der Stadt erworben werden kann. Wer das Album hat, kann dazu 180 Bilder sammeln,
die das Leben in Israel in den vergangenen Jahren wiederspiegeln, und dann in
das Heftchen einkleben. Eine lehrhafte Sommerbeschäftigung, denn ein kleiner
Text klärt die Sammler über den Hintergrund des jeweiligen Bildes auf.
Da gibt es zum Beispiel ein Bild mit Kampftruppen, die Gasmasken anlegen, oder
Szenen aus Ramallah, die Soldaten in Deckung zeigen. Zu einem Bild heißt es:
"Unsere geschätzten Truppen unterziehen sich einem harten Training, damit sie
bestehen und uns gegen den grausamen Feind verteidigen können." Bild 180
verspricht eine bessere Zukunft: "Ein Kämpfer in voller Uniform der IDF
verteidigt uns und wird uns Frieden bringen."
Redaktion und Leser von Haaretz wundern sich, ob dieses Album denn den Geist der
Zeit widerspiegelt? Auch wenn Militär und "Kriegszustand" in Israel zum Alltag
gehören, Kinder also damit aufwachsen, wäre es nicht angebrachter beispielsweise
Fußballspieler zu sammeln? Schließlich ist gerade Weltmeisterschaft. Sind Alben
mit Sportlern, Popstars und Dinosauriern nicht ausreichend?
Haaretz zitiert einen Memorabilia-Sammler, der daran nichts ungewöhnliches
finden kann. Er führt ähnliche Beispiele aus den 50er Jahren des Staates an.
Aber genau daran liegt doch das erstaunliche. Schließlich ist seitdem einige
Zeit vergangen. Tatsächlich passt das Album zu einer ganzen Welle an 50er
Jahre-anmutenden Propaganda, die man derzeit überall in Israel zu spüren
bekommt. "Den Traum weiterträumen, zusammen - den gesamten Weg lang", heißt es
auf riesigen Plakatwänden und im Radio wird halbstündlich eine Werbesendung für
Zionismus eingespielt.
Diese Entwicklung spiegelt eine zerrissene Gesellschaft wieder, die sich ihrer
selbst versichert. Der "grausame Feind" spielt dabei die Rolle dessen, der das
Zusammenhalten nötig macht. Es fragt sich nur, was mit solchen Heftchen
passiert, wenn es tatsächlich einmal Frieden geben wird. Der Weg dahin scheint
jedoch noch weit zu sein, waren die 50er Jahre offensichtlich doch erst gestern.
aue / haGalil onLine 13-06-2002 |