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MEMRI Special Dispatch – 06. Juni 2002

Führender islamischer Geistlicher über den notwendigen ‚Dialog der Kulturen’

Die in London erscheinende arabischsprachige Tageszeitung al-Hayat veröffentlichte am 31. Mai 2002 einen Artikel des Dekan der Scharia-Fakultät der Universität in Qatar, Scheich Abd Al-Hamid Al-Ansari. Der liberale Geistliche äußert sich in dem Artikel zu notwendigen Reformen in arabischen Ländern und knüpft damit an Fragen an, die er bereits in der Vergangenheit in verschiedenen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen in der Region aufwarf. In seinem aktuellen Artikel thematisiert er die Problematik der Selbst- und Fremdwahrnehmungen in der arabischen Öffentlichkeit und beschreibt den Zusammenhang zwischen einer zunehmenden Radikalisierung politischer und religiöser Bewegungen in der Region und der verstärkten Aus- und Abgrenzung von Minderheiten im Inneren und ‚dem Westen’ nach außen. Unter der Überschrift „Meilensteine für einen rationalen und konstruktiven Dialog mit dem ‚Anderen’“ wurde der Artikel folgendermaßen eingeleitet:

„Seit dem 11. September gab es eine Verstärkung von gegenseitigen Missverständnissen, bösartigen Gedanken, Verdächtigungen und Verzerrungen zwischen dem Westen und dem Orient. [...] Diese Zunahme führte zu einer ungesunden Atmosphäre, die zwei Phänomene beförderte: Auf der einen Seite den Aufstieg der extremen Rechten im Westen, dem so genannten Le Pen-Phänomen, welches die Anderen als einen feindlich gesinnten Fremden betrachtet, der die [westliche] Kultur und Werte verabscheut, und auf der anderen Seite den Aufstieg extremistischer Bewegungen in arabischen und islamischen Gesellschaften, die den Westen als einen Feind betrachten, der sich gegen den Islam und die Muslime verschworen hat. [...]“

 Auszüge aus dem Artikel von Scheich Abd Al-Hamid Al-Ansarit:

„Es gibt gemeinsame Grundbedürfnisse und gemeinsame Interessen zwischen dem Osten und dem Westen. Aber vor allem anderen gibt es ein gemeinsames humanistisches Erbe, welches geschützt und gestärkt werden muss: Die Anerkennung menschlicher Vielfalt und Unterschiedlichkeit, das Respektieren der Besonderheiten und der religiösen und kulturellen Identitäten verschiedener Völker und Nationalitäten. [...]

Im Koran heißt es: ‚Ihr Menschen! Wir haben euch geschaffen indem wir euch von einem männlichen und einem weiblichen Wesen [abstammen ließen], und wir haben euch zu Verbänden und Stämmen gemacht, damit ihr euch [aufgrund der genealogischen Verhältnisse] untereinander kennt. (Bildet euch aber auf eure vornehme Abstammung nicht zu viel ein!) Als der Vornehmste gilt bei Gott derjenige von euch, der am frömmsten ist. Gott weiß Bescheid und ist [über alles] wohl unterrichtet’. (Sure 49, 13) Dieser Vers verbietet es, eine einzelne Kultur, ein Regime, eine Idee oder einen Glauben der gesamten Menschheit aufzuerlegen (oder auf die gesamte Menschheit zu übertragen) Dschihad bedeutet also in Wirklichkeit, das Recht auf Pluralismus und Vielfalt zu bewahren und die Wahlfreiheit für alle zu garantieren, weil die Vielfalt als eine natürliche und universale Wahrheit betrachtet wird. [...]

Meiner Meinung nach erfordert dies sowohl einen internen als auch einen externen Dialog. Der interne Dialog muss alle Menschen und Organisationen einer Gesellschaft umfassen, ohne eine Partei auszuschließen, ohne sie des Verrats oder der Häresie anzuklagen oder sie zu verleumden. [...] Wir werden keine gesunde, reife und konstruktive Beziehung mit dem fremden ‚Anderen’ erreichen ohne eine gesunde Beziehung mit dem ‚Anderen’ innerhalb der eigenen Gesellschaft aufzubauen, d. h. mit demjenigen, der eine andere politische, ideologische, religiöse und ethnische Meinung hat [und] ohne unser Verhalten gegenüber Frauen zu korrigieren, basierend auf dem Prinzip der Toleranz und dem Respekt für Pluralismus und Akzeptanz für das ‚Andere’. [...]

Was den externen Dialog angeht: [...] Meiner Ansicht nach ist der notwendige Ausgangspunkt, dass sich jede Partei von Anfang an aufrichtig zeigen muss, mit den Vorurteilen und Stereotypen, die sie von den ‚Anderen’ haben. Danach muss es eine Selbstkritik dieser Ideen und Ansichten geben. Bevor wir uns bei dem ‚Anderen’ über die negative Art, mit der er uns wahrnimmt, beschweren, müssen wir uns selbst beobachten und unsere falsche Vorstellung über die ‚Anderen’ korrigieren. [...]

Der Westen muss die Grundlage seiner Wahrnehmung uns gegenüber überprüfen. Ebenso die Ideen, die über uns seit der Periode des Orientalismus existieren, die auf einer Rezeption aus dem Mittelalter basieren, wonach der Islam eine Religion der Gewalt sei, die durch das Schwert verbreitet werde, und wonach die Muslime an der modernen Zivilisation Rache nehmen und weder die Menschenrechte akzeptieren noch die Rechte von Minderheiten garantieren, noch an die Werte der Demokratie und der Toleranz glauben, und wonach sie sich nicht anständig gegenüber Frauen verhalten. Ebenso sollte sich der Westen zurückhalten, den Islam und die Muslime aufgrund des Verhaltens einer kleinen Minderheit zu beurteilen. [...]

Zur gleichen Zeit müssen wir, die Muslime, uns von weltweiten und westlichen Verschwörungstheorien uns gegenüber verabschieden. Wir müssen uns vom Komplex der Kreuzzüge und des schweren Erbes des Kolonialismus befreien. Wir müssen aufhören, den ‚Anderen’ als einen Teufel zu sehen, der kolonialistische, imperialistische oder globale Verschwörungen oder kulturelle Eroberungen uns gegenüber im Sinne hat. Wir müssen aufhören zu denken, dass die Welt nichts anderes zu tun hat, als sich gegen uns zu verschwören und uns, weil wir Muslime sind, zu hassen. [...]

Man kommt nicht daran vorbei, die Mängel in unserem sozialen Gefüge aufzudecken – in der Politik, in der Kultur, in den Medien, im Erziehungswesen und im religiösen Curriculum der letzten 50 Jahre. [...]

Der nationalistische Diskurs: Diesem Diskurs zufolge sabotierte der Westen die Renaissance der Araber und verhinderte ihren Fortschritt; [der Westen] habe ihre Einheit durch die Besetzung arabischer Länder und die Grenzziehungen verhindert,  [...] ebenso wie ihren Versuch, Demokratien zu errichten und ihre natürlichen Ressourcen zu nutzen. [...]

Wie auch immer, eine faire und objektive Betrachtung zeigt, dass, auch wenn der kolonialistische Westen einen Teil der Verantwortung trägt, der Hauptteil der Verantwortung vor der Tür der Araber selbst liegt. [...]

Die regionalen Staaten waren schon vor dem Kolonialismus eine alte historische Tatsache. Als die Grenzen festgelegt wurden, wurde mehr auf den Ausgleich zwischen den Stämmen als auf die westlichen Interessen geachtet. Demokratie war noch nie mehr als ein falscher Slogan in der Welt der Araber und hatte noch nie praktische Folgen – weder innerhalb eines Regimes noch in der Opposition [...] Darüber hinaus waren wir es, die unsere eigenen Ressourcen durch dumme Politikführung und Kriege unter uns und gegen andere verschwendeten. [...]

Der religiöse Diskurs: Ein beachtlicher Teil des [islamischen] religiösen Diskurses ist von Begriffen wie ‚geistigem Angriff’, ‚Weltverschwörung’, ‚Kampfhandlungen von Kreuzrittern’ und ‚andauernden Feindschaften gegenüber dem Islam und den Muslimen’ geprägt. Wie der nationale Diskurs stachelt auch der religiöse Diskurs auf und mobilisiert. Er richtet sich immer gegen das fremde und das lokale ‚Andere’. [...] Viele religiöse Rechtsgutachten werden erstellt, um Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler der Häresie oder der Sündhaftigkeit anzuklagen. [...]

Die westlichen Kirchen sind über den Komplex der Kreuzzüge hinweg. Im Gegensatz dazu, leben unsere Geistlichen ihre Bitterkeit über diese Kriege immer noch aus und fordern eine vernichtende Niederlage des Westens. [...]

Der religiöse Diskurs muss korrigiert und erneuert werden, [...] so dass er fähig wird, seine wahre Rolle von Wissen und Aufklärung zu verbreiten und mit den nationalen Grundproblemen so umzugehen, dass die einzelnen in der Gesellschaft näher zusammenkommen und kein Hass gegenüber anderen gesät wird. [...] Die Moscheen sind von Allah und sie dürfen nicht zu einer Arena für politische und sektiererische Auseinandersetzungen werden. [...]

Der Mediendiskurs: Unsere Medien bedienen nur uns selbst. Sie mobilisieren und hetzen die Menschen auf und lenken sie von ihren wirklichen Problemen ab. Was sie mehr als alles andere interessiert, sind negative Kommentare [über die Araber] durch das westliche ‚Andere’. [...] Seit unsere Medien ausgiebig Huntingtons Theorie über den ‚Kampf der Kulturen’ verbreiteten, wurde diese Theorie äußerst populär und alle unsere Intellektuellen reagierten darauf. [...] Unsere Medien haben die humane Alternative dazu vergessen – den ‚Dialog der Kulturen’ –, den auch westliche Intellektuelle fordern. Und als Berlusconi den Fehler machte, von der Überlegenheit der westlichen Kultur zu sprechen, wurde dieser Ausrutscher bei uns aufgebauscht, während seine Erklärung und Entschuldigung und sein Besuch eines islamischen Zentrums unter den Tisch fielen. [...]

Der Diskurs über Erziehung: Unser Diskurs über die Erziehung basiert auf der Verteidigung gegenüber dem ‚Anderen’ und auf einer historischen Selbstüberschätzung. Die Gedanken eines Kindes sind voll vom Ruhm und Triumph seiner Nation, während [im Geschichtsunterricht] andere Länder kaum eine Rolle spielen. Ein wichtiger Teil unseres Erziehungsdiskurses ist von anderen modernen Gesellschaften völlig abgeschnitten und basiert auf einer eindimensionalen Sichtweise, die eine eingeschränkte Mentalität und ein leichtes Abrutschen in den Fanatismus hervorbringt. Sie befördert falsche Vorstellung gegenüber Frauen und religiösen oder ethnischen Minderheiten; wobei Methoden des Auswendiglernens und der Wiederholung dominieren. [...]

Lasst uns daran arbeiten, geistige Energien zu mobilisieren und sie auf das Gute der gesamten Menschheit zu lenken.

© Copyright 2002 by The Middle East Media Research Institute (MEMRI) - memri.de. Alle Rechte vorbehalten.

haGalil onLine 09-06-2002

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