In jedem Fall wird Israel mit
hineingezogen:
Wasser allein genügt nicht
Yoel Marcus, 19.03.2002
Der Besuch des amerikanischen
Vizepräsidenten Cheney macht aus Israel einen Spieler, vielleicht sogar
sehr wichtigen Spieler, in der Offensive, die gerade ausgetüftelt wird,
um das Regime von Saddam Hussein zu stürzen. Im Jahre 1991 brauchte der
Vater von Präsident Bush eine Koalition von arabischen Staaten, zum
einen um Zugang zu deren Ländern und Luftraum zu bekommen, und zum
anderen, um sie symbolisch teilhaben zu lassen an der Rettung eines
Landes, dessen Souveränität ungestraft mit Füßen getreten wurde. Israels
Rolle damals war, stillzusitzen, ohne Drohungen, ohne Angriffe, ohne
sich zu brüsten, und das nur, um klarzustellen, dass es nicht der Freund
von Saudi-Arabien, Ägypten oder Syrien wäre. Israel verhielt sich ruhig,
es hat aber 39 Scud-Raketen abbekommen.
Das war keine leichte Erfahrung für
die Israelis, die in allen ihren Kriegen durch einen hermetisch
abgeriegelten Luftraum verwöhnt worden waren. Da saßen wir nun in
unseren dämlichen Gasmasken und hörten auf Brigadegeneral Nachman Shai,
der uns auf Hebräisch, Russisch und Amharisch riet, wir sollten „ein
bisschen Wasser trinken“. Gott weiß, wie er auf diesen Trick gekommen
ist. Er muss wohl Filme gesehen haben, in denen Leuten, die ohnmächtig
wurden, als erste Maßnahme Wasser zu trinken gegeben wurde.
In dieser Zeit sprach man viel über
chemische Sprengköpfe, aber es stellte sich heraus, dass es nur
primitive Projektile waren, mit 250 kg Sprengstoff ausgerüstet (in Gaza
warfen wir 1000-kg-Bomben ab, ohne dass irgendjemand getötet wurde). Die
Scud-Raketen, die Israel erreichten, waren ermüdet, unbrauchbar und
beinahe schrottreif. Die einzigen Verluste – abgesehen von unserem
verletzten Stolz – kamen zustande, weil manche sich selbst die
Atropinspritze aus dem Erste-Hilfe-Paket injizierten.
Diesmal braucht die USA keine
arabische Koalition – nur Unterstützung durch Gebiet und Logistik.
Öffentlich jedenfalls äußern die arabischen Führungen ihre Opposition zu
diesem Angriff. Die Führer dieser Staaten, allesamt Diktatoren, sind
nicht davon begeistert, einen Präzedenzfall zu schaffen, in dem die USA
Regime umstürzen und Länder bombardieren, die ihnen nicht gefallen. Aber
das ist nicht das letzte Wort der Araber. Die Tatsache, dass die
palästinensische Initiative des saudischen Kronprinzen gerade dann
zustande kam, als die Mission Cheneys angekündigt wurde, könnte ein
Hinweis auf einen möglichen Tausch sein: die arabische Unterstützung im
Gegenzug für die Räumung der Siedlungen und Rückzug auf die Grenzen von
1967. Die Alternative ist eine gemeinsame arabische Front gegen den
Angriff auf den Irak.
In jedem Fall wird Israel mit
hineingezogen: entweder mit der aufgezwungenen Lösung über die
Siedlungen, oder alternativ, als ein wichtiger Spieler zusammen mit der
Türkei, indem es die USA mit einer logistischen Basis versorgt. Während
ihrer Besuche in Washington beeilten sich Sharon und Fuad
(Verteidigungsminister Ben-Eliezer), jede Hilfe anzubieten, die benötigt
würde, um klarzumachen, dass der Umsturz des Regimes von Saddam Hussein
in Israels strategischem Interesse wäre.
Aber man kann nicht über Israel als
ein Spieler in diesem Spiel sprechen, ohne zu erwähnen, dass Israel ein
potentielles Ziel für den Irak darstellt. Von dem Moment an, in dem sich
die amerikanische Offensive gegen den Irak abzuzeichnen begann, haben
die führenden Köpfe der Armee vor tödlichen Konsequenzen für Israel
gewarnt. Als Fuad (Ben-Eliezer) aus seinem Treffen mit dem
amerikanischen Verteidigungssekretär herauskam, hat er prompt bekannt
gegeben, dass im Falle eines Angriffs auf den Irak Israel die ersten
wären, die zu leiden hätten. „Israel muss die Möglichkeit eines
Angriffes durch chemische und biologische Sprengköpfe in Betracht
ziehen,“ sagte er.
In jedem öffentlichen Auftritt oder
Interview wiederholte er seitdem diese Feststellung: „Wenn Saddam in
eine Ecke gestoßen wird, werden wir alle biologischen und chemischen
Waffen abbekommen, die er hat.“ Nur der frühere Chef des militärischen
Geheimdienstes, Amos Malka, äußerte sich etwas zurückhaltender: „Es ist
sehr wahrscheinlich, dass Saddam uns stark involvieren möchte, trotzdem
würde ich nicht gleich die israelische Öffentlichkeit so stark unter
Druck setzen,“ bemerkte er. Als ob die israelische Öffentlichkeit ihn
fragt, ob und wann sie unter Druck kommt. Israel hat eine lange
Tradition darin, nationale Gefahren schon Jahre voraus richtig
einzuschätzen – die Wasserkrise zum Beispiel – und nicht darauf
vorbereitet zu sein. Fachleuten zufolge hat Saddam Dutzende mobile
Abschussrampen und Raketen mit „schmutzigen“ Sprengköpfen. Niemand kann
sicher sagen, ob er es wagen wird sie zu benutzen, aber für den Israeli,
der in diesen Tagen nicht gerade Honig leckt, ist es wichtig zu wissen,
ob uns unsere Führung uns nur einen Schrecken einjagen kann, oder ob sie
auch zu einem gewissen Maß an Vorbeugung in der Lage ist.
Damit wir nicht
in eine Lage kommen, in der wir mit „Du-weißt-schon-womit“ angreifen
müssen, ist es notwendig, ein volles Übereinkommen mit den USA zu
erreichen. Wir brauchen mehr als nur 5 Minuten Vorwarnzeit. Wir brauchen
Abfangmöglichkeiten wie die Patriot PAC-3. Wir brauchen, sagen wir,
einen Pockenimpfstoff, um die gesamte Bevölkerung im voraus zu impfen.
Aber vor allem brauchen wir ein Luftabwehrsystem, das die Raketen findet
und am Boden zerstört – so etwas wurde im Golfkrieg nicht gemacht. Wenn
der Verteidigungsminister recht behalten sollte, wird ein Glas Wasser
allein nicht genügen.
haGalil onLine 20-03-2002 |