Reaktionen zum
Regierungsbeschluss:
Wer's glaubt wird selig
Kommentatoren
in israelischen Tageszeitungen zeigten sich skeptisch, ob es zu
einer Umsetzung der Roadmap, die durch den Beschluss der Regierung
Scharon abgesegnet wurde, kommt. Bisher wurde noch ein
Verhandlungsdokument in die Tat umgesetzt, gab man zu bedenken.
Andere sehen in der Entscheidung einen dramatischen und historischen
Beschluss.
Nachum Barnea
schrieb in Yedioth Achronoth: "Selig ist, wer glaubt, dass der
gestrige Regierungsbeschluss historisch ist. Wer glaubt, dass das
verhaltene “Ja”, das gestern aus der Regierung erklang, zu einer
riesigen Welle werden wird, die Regierungen, Völker und religiöse
und politische Bewegungen mitreißen und sie mit Ruhe und Frieden
überschütten wird." Verteilt wurde lediglich eine Portion Hoffnung,
"Hoffnung ist ein wichtiger Wert. Sie kurbelt den Markt an, stärkt
die Widerstandskraft, vereint die Reihen. Man kann sagen, das ist
eine Illusion, das ist Psychologie. Aber der enorme wirtschaftliche
Aufschwung, der den Oslo-Verträgen folgte, stützte sich auch nur auf
Psychologie. Ein Zusammenhang zwischen dem Aufschwung und den
Beziehungen zu den Palästinensern oder den Fortschritten des
Friedensprozess war so gut wie nicht vorhanden." Über die Bedeutung
der Roadmap äußert sich Barnea verhalten. Eines sei jedoch gewiss:
"Der gestrige Beschluss ermöglicht es sehr vielen Israelis, wieder
in den Spiegel schauen zu können. Sie werden, jedenfalls in ihren
Augen, von Besatzern zu Verhandlern. In dem grausamen Krieg der
letzten drei Jahre ist der moralische Aspekt in Vergessenheit
geraten. Sharon, ausgerechnet Sharon, hat ihn gestern wieder
aktualisiert. Wir können keine 3,5 Millionen Palästinenser
kontrollieren, sagte er, und gab damit (fast) einem israelischen
Konsens Ausdruck."
Sima Kadmon
schrieb, ebenfalls in Yedioth Achronoth, "die israelische Regierung,
unter Vorsitz von Ariel Sharon, traf gestern einen dramatischen
Beschluss. Sie übernahm das Prinzip der Teilung von Eretz-Israel und
der Gründung eines palästinensischen Staats. Damit hat die Rechte
die Weltanschauung der Linken übernommen, und noch dazu in einer
Zeit, in der dieses Lager zerbrochen ist, zerstört, ohne Einfluss
und ohne öffentliche Unterstützung." Dennoch, die alles
entscheidende Frage bleibe weiterhin offen, "hat Sharon wirklich und
wahrhaftig den Traum von Groß-Israel aufgegeben? Hat er wirklich den
Weg zum Frieden gewählt, mit allem, was das beinhaltet? Denn es
könnte durchaus sein, dass Sharon die Roadmap als Taktik akzeptiert
hat: da er glaubt, dass die Palästinenser ihren Verpflichtungen
nicht nachkommen können, wird er seinen Teil sowieso nicht erfüllen
müssen. Warum also die Beziehungen zu den Amerikanern unnötig
belasten? Das ist jedoch eine zu simple Erklärung. Sharon weiß ganz
genau, dass ein Prozess, der einmal begonnen hat, eine Eigendynamik
entwickelt. Was die rechte Regierung Sharons gestern begonnen hat,
kann ganz von allein weiterrollen, und was wie eine taktische
Maßnahme ausgeschaut hat, wird dann zu einer vollendeten Tatsache.
Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass Sharon gestern den
ersten Schritt zu einem historischen Prozess unternommen hat. Es ist
zwar noch immer ein kleiner Schritt für Israel, aber zweifelsohne
ein riesiger Schritt für Ariel Sharon."
In Maariv fragt
Ben Caspit, ob sich die Geschichte wiederholen wird. "Bei den vielen
Worten über die Teilung des Landes, die Räumung der Siedlungen und
die Einstellung der Kontrolle über ein anderes Volk wurde das
Wesentliche vergessen: die Aussichten, dass Abu-Masen und Mohammed
Dahlan die sicherheitspoltitische Ware liefern werden, die Israel
(mit Rückendeckung der Amerikaner) fordert, ähneln sehr stark den
Aussichten, dass Ariel Sharon im kommenden Jahr Beit-El und Shilo
räumen wird. Aber da kann man nichts machen: in unserer Region wird
die Geschichte nicht mit Regierungsbeschlüssen geschrieben, auch
nicht mit internationalen Abkommen, sondern mit sehr viel Blut.
Diese Routine stößt nun auf einen amerikanischen Präsidenten mit
messianischen Gefühlen. Wird der nahöstliche Sumpf auch ihn
verschlingen? Hoffentlich nicht."
hagalil.com
28-05-2003 |