Interview mit Dan
Meridor:
"Die Mehrheit hat das Sagen - ihre
Gesetze sind zu akzeptieren"
Die
Palästinenserführung muss klarstellen, dass ein Teil des Landes ein
jüdischer Staat ist, mahnt Scharons Sicherheitsberater Dan Meridor.
Machmud Abbas traut er dies nicht zu
Interview: Susanne
Knaul
taz: Wie schätzen Sie die
Chancen ein für die Umsetzung des "Fahrplans zum Frieden"?
Dan Meridor:
Das Problem ist die Existenz Israels als jüdischer Staat. Unser
Partner muss verstehen, dass ein Teil des Landes ein jüdischer Staat
sein wird. Ein jüdischer Staat, in dem Araber wohnen. Und es wird
einen palästinensischen Staat geben, in dem auch Juden wohnen. Die
Mehrheit hat das Sagen. Wenn ein Jude dort bleiben will, muss er die
Gesetze der Mehrheit akzeptieren.
Scharon hat Verhandlungen
mit Palästinenserpräsident Arafat immer abgelehnt. Welche
Erwartungen knüpfen Sie an die neue palästinensische Regierung unter
Abbas?
Wenn ich einen Vertrag unterschreibe,
muss ich wissen, dass mein Partner auch in der Lage ist, seine
Verpflichtungen einzuhalten. Die Frage, die sich für Israel stellt,
ist: Gibt es einen Menschen oder eine Gruppe, die in der Lage ist,
die Gebiete zu kontrollieren? Ich meine, dass es heute keine Führung
gibt, die noch kontrollieren könnte. Arafat hat ein Chaos
hinterlassen.
Glauben Sie nicht, dass
Israel für das Chaos mindestens mitverantwortlich ist?
Okay, ja. Im Westjordanland, nachdem
wir immer wieder beschossen worden sind und Terroristen geschickt
wurden, mussten wir etwas tun. Wir sind heute sicherheitstechnisch
in einer viel besseren Lage als früher. Der Terror ist noch nicht zu
Ende, aber dramatisch beschnitten. Aber wenn ich morgen Dschenin in
die Hände der Palästinenser übergebe - und glauben Sie mir, ich will
weder Dschenin, Ramallah oder Tulkarem besetzen, ich will raus -,
dann muss ich sicher sein, dass hinter mir niemand mit dem Gewehr
steht, um mir in den Rücken zu schießen.
Das heißt also, dass
derzeit kein Abzug möglich ist?
Um den Konflikt zu beenden, müssen
schwierige Fragen geklärt werden, etwa Jerusalem, das Rückkehrrecht,
der Grenzverlauf. Das hat das Nahost-Quartett mit seinem
Friedensplan versucht. Ich halte es dennoch für extrem schwierig, zu
einer Einigung zu gelangen. Aber denkbar wäre, dass man emotionale
Fragen auf später verschiebt und sagt: Wir gründen jetzt einen
palästinensischen Staat auf einem Teil des Gebietes. Ob das 20, 40
oder 60 Prozent des Landes sind, sei vorerst dahingestellt. Dann
setzen wir die Verhandlungen von einer völlig neuen Ausgangsposition
fort: Zwei Staaten, die einen Konflikt über ein Stück Land haben,
ähnlich wie Israel und Syrien, die miteinander um den Golan
streiten. Damit würden wir eine praktische Lösung schaffen, mit der
die Palästinenser von der israelischen Besatzung befreit würden.
Gleichzeitig muss keine der beiden Seiten auf ihre Träume oder
Überzeugungen verzichten. Das zu erreichen, halte ich für
realistisch.
Vorausgesetzt, die Gewalt
wird beendet …
Sollten wir erkennen, dass wir auch mit
der neuen palästinensischen Regierung keinen Partner haben, müssen
wir einseitige Maßnahmen ergreifen, sprich: den Rückzug aus einem
Teil der besetzten Gebiete und die Errichtung einer von uns
festgelegten provisorischen Grenze. Ich bin gegen diesen Weg, der
als Kapitulation interpretiert werden könnte. Der Vorteil ist, dass
beide Völker getrennt würden.
Würden dabei Siedlungen
evakuiert?
Möglich. Fest steht, dass wir uns für
einen dieser Wege entscheiden müssen. Gar nichts zu tun, würde
Israel große demografische Probleme bereiten. In etwa zehn Jahren
wird die arabische Bevölkerung die jüdische zahlenmäßig eingeholt
haben. Das bedeutet, dass ohne eine Teilung perspektivisch entweder
die Demokratie Israels oder der Zionismus bedroht ist.
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02-05-2003 |