Wegen fortdauernder Gewalt:
Scharon wendet sich vom Friedensfahrplan ab
Engster Berater des Premiers:
Wir haben das Paket mit dem Namen Palästinenserstaat von der Agenda
genommen
Von Thorsten Schmitz
Tel Aviv - Israel will die Errichtung eines
palästinensischen Staats für unbegrenzte Zeit verhindern. Der
Bürochef von Regierungschef Ariel Scharon, Dov Weisglass, sagte am
Mittwoch in überraschender Offenheit der israelischen Tageszeitung
Haaretz, dass nach dem für 2005 geplanten Abzug der 8000 jüdischen
Siedler aus dem Gaza-Streifen der Friedensprozess mit den
Palästinensern auf Eis gelegt werde. Israel werde sich von den
Palästinensern abwenden, bis diese der Gewalt abgeschworen und eine
kooperative Führung installiert hätten, sagte Weisglass.
"Wenn man den Friedensprozess einfriert,
verhindert man auch die Bildung eines Palästinenserstaates", führte
Scharons Bürochef aus, der zugleich behauptete, Israel habe für die
politische Eiszeit "den Segen" der US-Regierung und beider Häuser
des Kongresses in Washington. "Wir haben das ganze Paket mit dem
Namen Palästinenserstaat und all seinen Folgen tatsächlich von der
Agenda genommen", zitiert Haaretz Weisglass.
Der Bürochef gilt als engster Berater von
Premierminister Scharon und reist fast jeden Monat zu Gesprächen mit
der US-Regierung und mit Kongressabgeordneten nach Washington. Er
habe sich mit den USA darauf geeinigt, dass Israel so lange keine
jüdischen Siedlungen mehr zu räumen brauche, solange die
Palästinenser sich nicht in "friedliebende Finnen" verwandelt
hätten. Die überraschend deutlichen Worte Weisglass' sind in Israel
und bei den Palästinensern auf Kritik gestoßen. Der
Oppositionsführer und Chef der Arbeitspartei, Schimon Peres, sagte,
wer "auf einen halben Frieden abzielt, bekommt einen halben Krieg".
Der Vorsitzende der linken Jachad-Partei, Jossi Beilin, meinte, die
Worte von Weisglass zeigten, dass Scharon kein Partner für den
Frieden sei. Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat
sagte, die Äußerungen illustrierten, dass Israel den Friedensprozess
zerstören wolle.
In einer Erklärung aus dem Büro Scharons, die von israelischen
Medien als Versuch der Schadensbegrenzung eingestuft wurde, hieß es,
der Friedensfahrplan sei der "einzige geeignete Plan" auf dem Weg zu
einer "andauernden politischen Einigung mit den Palästinensern".
Allerdings wurden in der Stellungnahme keine Angaben darüber
gemacht, ob Israel sich noch an den Friedensfahrplan gebunden fühle.
Der von Vertretern der USA, Russlands, der Vereinten Nationen und
der EU ausgearbeitete Plan sieht unter anderem die Schaffung eines
provisorischen Palästinenserstaates bereits im kommenden Jahr vor.
Danach sollen die wesentlichen Streitpunkte wie Hauptstadtfrage,
Flüchtlinge und Grenzen geklärt werden.
Die USA verhinderten in der Nacht zu Mittwoch mit
ihrem Veto die Annahme eines von arabischen Staaten eingebrachten
Entwurfs im UN-Sicherheitsrat, der Israel zum sofortigen Stopp der
Militäroffensive im Norden des Gaza-Streifens aufforderte.
Deutschland, Großbritannien und Rumänien enthielten sich der Stimme.
hagalil.com
08-10-04 |