Yassir Arafat - 2002:
The Palestinian Vision of Peace
Der PA-Vorsitzende in der NYT:
Arafats Vision
vom Frieden
In einem Leitartikel der New York Times
(03-02-2002) betonte Yassir Arafat, der jüdische Charakter Israels
sei klar und offenkundig, das palästinensische Flüchtlingsproblem
könne also nur gelöst werden, wenn Israels demografische Interessen
berücksichtigt werden und Israel ein jüdischer Staat bleiben kann.
Published in the
New York Times, February 3, 2002
Die palästinensische Friedensvision
von Jassir Arafat
RAMALLAH. Seit sechzehn Monaten sind Israelis und Palästinenser
in einem katastrophalen Zyklus der Gewalt gefangen, einem Zyklus,
der nur noch mehr Blutvergießen und Angst verspricht. Dieser Zyklus
hat viele zu dem Schluß kommen lassen, daß ein Frieden unmöglich
ist, zu einem Mythos, der aus der Ignoranz der palästinensischen
Position herrührt. Jetzt ist die Zeit gekommen, daß die
Palästinenser deutlich die palästinensische Vision darlegen und daß
die Welt aufmerksam zuhört.
Aber lassen Sie mich zuerst eins ganz klar sagen. Ich verurteile die
Angriffe, die von terroristischen Gruppen gegen israelische
Zivilisten ausgeführt werden. Diese Gruppen repräsentieren nicht das
palästinensische Volk oder sein legitimes Streben nach Freiheit. Das
sind terroristische Organisationen, und ich bin fest entschlossen,
ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen.
Die palästinensische Friedensvision ist ein unabhängiger und
lebensfähiger palästinensischer Staat auf den von Israel 1967
besetzten Gebieten, der als gleichberechtigter Nachbar neben Israel
in Frieden und Sicherheit für das israelische wie für das
palästinensische Volk gedeiht. Im Jahre 1988 nahm der
Palästinensische Nationalrat eine historische Resolution an, in der
die Durchsetzung der relevanten UN-Resolutionen, insbesondere der
Resolutionen 242 und 338 eingefordert wurde. Die Palästinenser
erkannten Israels Existenzrecht auf 78 Prozent der Fläche des
historischen Palästinas an unter der Bedingung, daß es uns erlaubt
sein würde, auf den verbleibenden 22 Prozent, die seit 1967 unter
israelischer Besatzung stehen, in Freiheit zu leben. Unsere
Festlegung auf diese Zwei-Staaten-Lösung bleibt unverändert, aber
sie bleibt leider auch unerwidert.
Wir begehren echte Unabhängigkeit und volle Souveränität: das Recht,
unseren eigenen Luftraum, die Wasservorräte und die Grenzen zu
kontrollieren; das Recht, unsere eigene Wirtschaft zu entwickeln,
normale Wirtschaftsbeziehungen mit unseren Nachbarn zu unterhalten
und das Recht, frei zu reisen. Kurz, wir begehren nur das, was die
freie Welt gegenwärtig besitzt und was Israel nur für sich selbst
beansprucht: das Recht, unser Schicksal zu bestimmen und unseren
Platz unter den freien Nationen einzunehmen.
Darüber hinaus begehren wir eine faire und gerechte Lösung für die
Misere der palästinensischen Flüchtlinge, denen es seit 54 Jahren
nicht erlaubt wird, in ihre Heimat zurückzukehren. Wir verstehen die
demographische Besorgnis Israels und sehen ein, daß das
Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge, ein Recht, das nach
internationalem Gesetz und nach UN-Resolution 194 garantiert ist,
auf eine Weise durchgesetzt werden muß, die auf diese Besorgnisse
Rücksicht nimmt. Doch ebenso wie wir Palästinenser hinsichtlich der
demographischen Wünsche Israels realistisch sein müssen, muß auch
Israel realistisch sein und begreifen, daß es keine Lösung des
israelisch-palästinensischen Konflikts geben kann, wenn die
legitimen Rechte dieser unschuldigen Zivilisten weiterhin ignoriert
werden. Eine ungelöste Flüchtlingsfrage hat das Potential, jedes
dauerhafte Friedensabkommen zwischen Palästinensern und Israelis zu
unterminieren. Wie soll ein palästinensischer Flüchtling verstehen,
daß sein oder ihr Recht auf Rückkehr nicht respektiert wird, aber
das der Kosovo-Albaner, der Afghanen und Ost-Timoresen respektiert
worden ist?
Es gibt einige, die behaupten, ich sei kein Friedenspartner. Als
Antwort darauf sage ich, Israels Friedenspartner ist und ist immer
gewesen das palästinensische Volk. Frieden ist kein unterzeichnetes
Abkommen zwischen Einzelpersonen, er ist die Versöhnung zwischen
Völkern. Zwei Völker können sich nicht versöhnen, wenn eines die
Kontrolle über das andere verlangt, wenn eines sich weigert, das
andere als Friedenspartner zu behandeln, wenn eines mehr der Logik
der Macht als der Macht der Logik folgt. Israel muß erst noch
begreifen, daß es keinen Frieden haben kann, solange es
Gerechtigkeit versagt. Solange die Okkupation palästinensischen
Bodens andauert, solange man Palästinensern die Freiheit verweigert,
wird der Weg zum "Frieden der Mutigen", den ich mit meinem
ehemaligen Partner Jitzhak Rabin eingeschlagen habe, mit
Hindernissen übersät sein.
Dem palästinensischen Volk ist seine Freiheit viel zu lange
verweigert worden, und es ist das einzige Volk auf der Welt, das
noch unter fremder Besatzung lebt. Wie ist es möglich, daß die ganze
Welt diese Unterdrückung, Diskriminierung und Demütigung toleriert?
Das Osloer Abkommen von 1993, unterzeichnet auf dem Rasen des Weißen
Hauses, versprach den Palästinensern die Freiheit bis spätestens Mai
1999. Statt dessen hat das palästinensische Volk seit 1993 eine
Verdopplung der israelischen Siedler, die Erweiterung illegaler
israelischer Siedlungen auf palästinensischem Boden und stärkere
Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit erfahren. Wie kann ich mein
Volk davon überzeugen, daß Israel es mit dem Frieden ernst meint,
während es das vergangene Jahrzehnt über die Kolonisierung
palästinensischen Bodens intensivierte, von dem es sich in
Verhandlungen angeblich zurückziehen wollte?
Aber kein Grad der Unterdrückung und keine Stufe der Verzweiflung
kann die Tötung unschuldiger Zivilisten rechtfertigen. Ich
verurteile den Terrorismus. Ich verurteile die Tötung unschuldiger
Zivilisten, seien es Israelis, Amerikaner oder Palästinenser,
gleichgültig ob sie von palästinensischen Extremisten, israelischen
Siedlern und durch die israelische Regierung getötet wurden. Aber
Verurteilungen halten den Terrorismus nicht auf. Um den Terrorismus
zu stoppen, müssen wir begreifen, daß der Terrorismus nur das
Symptom, nicht die Krankheit ist.
Die persönlichen Angriffe gegen mich, die zur Zeit in Mode sind,
mögen sehr wirksam sein, den Israelis eine Rechtfertigung dafür zu
liefern, daß sie ihre eigene Rolle bei der Herbeiführung der
gegenwärtigen Situation ignorieren. Aber diese Angriffe tragen wenig
dazu bei, den Friedensprozeß voranzubringen und sie sind tatsächlich
auch nicht dazu gedacht. Viele glauben, daß Israels
Ministerpräsident Ariel Scharon, in Anbetracht seiner Gegnerschaft
gegenüber jedem von Israel jemals unterzeichneten Friedensvertrag,
Öl in das Feuer der Unruhen gießt in dem Bemühen, eine Rückkehr zu
Verhandlungen auf unbestimmte Zeit zu verschieben.
Bedauerlicherweise hat er wenig dazu getan, ihnen das Gegenteil zu
beweisen. Die Praktiken der israelischen Regierung des
Siedlungsbaus, der Zerstörung von Häusern, der politischen Morde,
der Abriegelungen und des schändlichen Schweigens angesichts der
Gewalttätigkeiten israelischer Siedler und anderer tagtäglicher
Erniedrigungen sind eindeutig nicht darauf gerichtet, die Lage zu
beruhigen.
Die Palästinenser haben eine Friedensvision: Es ist ein Frieden auf
der Grundlage der vollständigen Beendigung der Okkupation und der
Rückkehr zu den Grenzen Israels von 1967, der Teilhabe an ganz
Jerusalem als einer offenen Stadt und als Hauptstadt von zwei
Staaten, von Palästina und Israel. Es ist ein warmer Frieden
zwischen zwei Gleichgestellten, die sich einer beiderseitig
vorteilhaften wirtschaftlichen und sozialen Kooperation erfreuen.
Trotz der brutalen Unterdrückung der Palästinenser in den
vergangenen vier Jahrzehnten kann, so glaube ich, wenn Israel die
Palästinenser als Gleichgestellte ansieht und nicht als
unterworfenes Volk, dem es seinen Willen aufzwingen kann, eine
solche Vision Wirklichkeit werden. Und sie muß es.
Die Palästinenser sind bereit, den Konflikt zu beenden. Wir sind
bereit, uns jetzt mit jedem israelischen Führer, ungeachtet seiner
Vergangenheit, zusammenzusetzen und Freiheit für die Palästinenser,
eine vollständige Beendigung der Okkupation, Sicherheit für Israel
und kreative Lösungen für die Misere der Flüchtlinge unter Beachtung
der demographischen Besorgnisse Israels auszuhandeln.
Aber wir werden nur als Gleichgestellte, nicht als Bittsteller Platz
nehmen, als Partner, nicht als Untertanen, als Sucher einer
gerechten und friedlichen Lösung, nicht als besiegte Nation, die
dankbar ist für jeden Brocken, der uns vorgeworfen wird. Denn trotz
Israels überwältigenden militärischen Vorteils besitzen wir etwas
noch größeres: die Macht der Gerechtigkeit.
Jasir
Arafat
wurde 1996 zum Präsidenten der Palästinensischen Behörde gewählt und
ist Vorsitzender der Palästinensischen Befreiungsorganisation.
Übersetzung aus dem Englischen: Wolfgang Buddrus
(http://www.palaestina.ch)
Reaktionen (NL
http://www.israel.de):
Die Sicherheitspolitische Beraterin von US-Präsident George W. Bush,
Condoleezza Rice, hat Arafats Beitrag in der New York Times als
"nicht hilfreich" bezeichnet. Unter der Überschrift "Die
palästinensische Vision für den Frieden" hatte Arafat u.a.
geschrieben, dass das "Recht auf Rückkehr" der palästinensischen
Flüchtlinge in einer Art und Weise durchführt werden müsse, die
Israels demographische Bedürfnisse berücksichtige.
Rice sagte hierzu, wenn Arafat die Friedensvision erreichen wolle,
die er in dem Beitrag zeichne, müsse er gegen die Terroristen aus
seinen Reihen vorgehen. Gegenüber den FOX News vom Sonntag sagte
Rice: "Der Weg zu einer endgültigen Lösung des
israelisch-palästinensischen Konflikts ist ein klar festgelegter
Prozess, der mit Oslo beginnt bis hin zu den Mechanismen wie des
Tenet-Plans und des Mitchell-Reports. Das ist nicht hilfreich." Rice
sagte ferner, dass die US-Regierung nicht glaubt, dass Arafat eine
100 % Anstrengung im Kampf gegen den Terror gezeigt hat, und "es ist
sehr klar, dass er mehr gegen das terroristische Netzwerk tun kann.
Terror dient keinem Zweck – egal wie gut dieser ist. Das
palästinensische Volk besitzt einen Prozess, mit Hilfe dessen sie
ihre Bestrebungen erreichen können. Und als ihr Führer sollte der
Vorsitzende Arafat wirklich damit anfangen, gegen die Terroristen
vorzugehen, damit sie zurück zu den Friedensverhandlungen können."
- Laut israelischen Rundfunkmeldungen werden Yossi
Beilin und Oppositionschef Yossi Sarid demnächst zu einem Treffen
mit einer palästinensischen Delegation in Berlin erwartet. Die
Initiative zu dem Treffen kam vom deutschen Außenminister Joschka
Fischer.
- Der palästinensische Unterhändler Ahmed Qurei (Abu Ala) kommt
heute mit dem US-Außenminister Colin Powell in Washington zusammen.
Die JERUSALEM POST schreibt in Berufung auf einen Beamten der PA,
dass mit dem Besuch versucht werden soll, die Beziehungen zwischen
der PA und der US-Regierung zu verbessern. Qurei wird die Amerikaner
außerdem über seine Gespräche mit Shimon Peres und das Treffen mit
Ariel Sharon, Mahmoud Abbas, Arafats Vertreter und seinem
Finanzberater, Muhammad Rashid informieren. Arafat hatte am Samstag
das Treffen mit Sharon bestätigt und gesagt, dass es weitere Treffen
dieser Art geben würde.
Ramallah - - For the past
16 months, Israelis and Palestinians have been locked in a
catastrophic cycle of violence, a cycle which only promises more
bloodshed and fear. The cycle has led many to conclude that peace is
impossible, a myth borne out of the ignorance of the Palestinian
position. Now is the time for the Palestinians to state clearly, and
for the world to hear clearly, the Palestinian vision.
But first, let me be very clear. I condemn the attacks carried out
by terrorist groups against Israeli civilians. These groups do not
represent the Palestinian people or their legitimate aspirations for
freedom. They are terrorist organizations and I am determined to put
an end to their activities.
The Palestinian vision of peace is an independent and viable
Palestinian state on the territories occupied by Israel in 1967,
living as an equal neighbor alongside Israel with peace and security
for both the Israeli and Palestinian peoples. In 1988, the Palestine
National Council adopted a historic resolution calling for the
implementation of applicable United Nations resolutions,
particularly, Resolutions 242 and 338.
The Palestinians recognized Israel's right to exist on 78 percent of
historic Palestine with the understanding that we would be allowed
to live in freedom on the remaining 22 percent under Israeli
occupation since 1967. Our commitment to that two state solution
remains unchanged, but unfortunately, also remains unreciprocated.
We seek true independence and full sovereignty: The right to control
our own airspace, water resources and borders; the right to develop
our own economy, to have normal commercial relations with our
neighbors, and to travel freely. In short, we seek only what the
free world now enjoys and only what Israel insists on for itself:
the right to control our own destiny and to take our place among
free nations.
In addition, we seek a fair and just solution to the plight of
Palestinian refugees who for 54 years have not been permitted to
return to their homes. We understand Israel's demographic concerns
and understand that the right of return of Palestinian refugees, a
right guaranteed under international law and
United
Nations Resolution
194,
must be implemented in a way that takes into account such concerns.
However, just as we Palestinians must be realistic with respect to
Israel's demographic desires, Israelis too must be realistic in
understanding that there can be no solution to the
Israeli-Palestinian conflict if the legitimate rights of these
innocent civilians continue to be ignored. Left unresolved, the
refugee issue has the potential to undermine any permanent peace
agreement between Palestinians and Israelis. How is a Palestinian
refugee to understand that his or her right of return will not be
honoured but those of Kosovar Albanians, Afghans and East Timorese
have been?
A partner in peace
There are those who claim that I am not a partner in peace. In
response, I say Israel's peace partner is, and always has been, the
Palestinian people. Peace is not a signed agreement between
individuals - it is reconciliation between peoples. Two peoples
cannot reconcile when one demands control over the other, when one
refuses to treat the other as a partner in peace, when one uses the
logic of power rather than the power of logic. Israel has yet to
understand that it cannot have peace while denying justice. As long
as the occupation of Palestinian lands continues, as long as
Palestinians are denied freedom, then the path to the "peace of the
brave" that I embarked upon with my late partner Yitzhak Rabin, will
be littered with obstacles.
The Palestinian people have been denied their freedom for far too
long and are the only people in the world still living under foreign
occupation. How is it possible that the entire world can tolerate
this oppression, discrimination and humiliation? The
1993 Oslo Accord, signed on the
White House lawn, promised the Palestinians freedom by
May 1999.
Instead, since 1993, the Palestinian people endured a doubling of
Israeli settlers, expansion of illegal Israeli settlements on
Palestinian land and increased restrictions on freedom of movement.
How do I convince my people that Israel is serious about peace while
over the past decade, Israel intensified the colonization of
Palestinian land from which it was ostensibly negotiating a
withdrawal?
But no degree of oppression and no level of desperation can ever
justify the killing of innocent civilians. I condemn terrorism. I
condemn the killing of innocent civilians, whether they are Israeli,
American or Palestinian, whether they are killed by Palestinian
extremists, Israeli settlers, or by the Israeli government. But
condemnations do not stop terrorism. To stop terrorism, we must
understand that terrorism is simply the symptom, not the disease.
The personal attacks on me currently in vogue may be highly
effective in giving Israelis an excuse to ignore their own role in
creating the current situation. But these attacks do little to move
the peace process forward and, in fact, are not designed to. Many
believe that Ariel Sharon, Israel's prime minister, given his
opposition to every peace treaty Israel has ever signed, is fanning
the flames of unrest in an effort to delay indefinitely a return to
negotiations. Regrettably, he has done little to prove them wrong.
Israeli government practices of settlement construction, home
demolitions, political assassinations, closures and shameful silence
in the face of Israeli settler violence and other daily humiliations
are clearly not aimed at calming the situation.
The Palestinians have a vision of peace: it is a peace based on the
complete end of the occupation and a return to Israel's 1967
borders, the sharing of all Jerusalem as one open city and as the
capital of two states, Palestine and Israel. It is a warm peace
between two equals enjoying mutually beneficial economic and social
cooperation. Despite the brutal repression of Palestinians over the
last four decades, I believe when Israel sees Palestinians as
equals, and not as a subjugated people upon whom it can impose its
will, such a vision can come true. Indeed it must.
Palestinians are ready to end the conflict. We are ready to sit down
now with any Israeli leader, regardless of his history, to negotiate
freedom for the Palestinians, a complete end of the occupation,
security for Israel and creative solutions to the plight of the
refugees while respecting Israel's demographic concerns.
But we will only sit down as equals, not as supplicants; as
partners, not as subjects; as seekers of a just and peaceful
solution, not as a defeated nation grateful for whatever scraps are
thrown our way. For despite Israel's overwhelming military
advantage, we possess something even greater: the power of justice.
Yasir
Arafat was elected President of the Palestinian Authority in
1996 and is also Chairman of the Palestine Liberation Organization.
hagalil.com
02-03-2002 |