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»Sharon hofft auf die Kapitulation«

Moshe Zimmermann

Die Friedensbewegung spielte nach dem Beginn der so genannten Al-Aqsa-Intifada in der israelischen Politik kaum eine Rolle. Seit Anfang Februar fanden jedoch wieder mehrere größere Demonstrationen verschiedener Fraktionen der linken Opposition statt. Ihre Positionen werden allerdings weiterhin nur von einer Minderheit in der israelischen Gesellschaft geteilt, und es fehlt der Friedensbewegung an Gesprächspartnern auf der palästinensischen Seite.

Moshe Zimmermann, der Direktor des Richard-Koebner-Centers for German History an der Hebräischen Universität Jerusalem, ist einer der profiliertesten Kritiker der derzeitigen israelischen Politik. Mit ihm sprach Volker Weiss.

Erst seit einigen Wochen gibt es wieder größere Aktionen israelischer Oppositioneller. Warum hat die Friedensbewegung nicht früher reagiert?

Die Friedensbewegung wurde weitgehend neutralisiert, weil die zweite Intifada als eine Undankbarkeit seitens der Palästinenser wahrgenommen wurde. Wenn man das so versteht, ist es sogar für die israelische Linke schwer, hier einen Ausweg zu finden. Außerdem ist die Linke in drei Teile gespalten: Die konsequente Linke, die isoliert ist und auf die man nicht hört, weil man ihre Wahrnehmung nicht akzeptiert. Die traditionelle Linke von Schalom akhschav (Frieden jetzt), und dann die angebliche Linke in der Regierungskoalition. Die Linken stehen eher am Rande dessen, was heute geschieht.

Mittlerweile meinen doch aber nicht nur linke Israelis, dass Premierminister Ariel Sharon kein Konzept hätte.

Er hatte nie einen Plan angekündigt, er sagte nur, dass er wisse, wie man das Problem des Terrors löst. Er hat schon drei Monate nach dem Beginn seiner Regierungszeit zugegeben, dass er hoffte, schneller mit dem Terror fertig zu werden. Jetzt sind wir neun Monate weiter, und noch immer hat er das Problem nicht gelöst.

Sharon will die Palästinenser kleinkriegen. Er rechnet mit Arafat seit dem Libanonkrieg 1982 ab. Außerdem versucht er, die Führer der Intifada in die Knie zu zwingen. Er wird es nicht mit einem großen Angriff tun, das hätte keinen Sinn. Sondern durch die Strangulation der palästinensische Gebiete. Alle diese Maßnahmen, die alltäglich hier stattfinden, die Abriegelungen, helfen dabei. Er hofft auf eine Kapitulation.

Im Rahmen dieser Maßnahmen kommt es regelmäßig zu Übergriffen des israelischen Militärs gegen Zivilisten. Wie reagiert die Gesellschaft auf solche Meldungen?

Die israelische Gesellschaft kann sehr viel hinnehmen, solange sie nicht begreift, dass sie sich bereits jenseits von Gut und Böse befindet. Nicht nur wirtschaftlich, auch moralisch. Wenn in der Sicht der Gesellschaft die Palästinenser die alleinigen Schuldigen sind, ist auch alles, was man gegen die Palästinenser unternimmt, gerechtfertigt. Dann wird akzeptiert, dass man palästinensische Zivilisten auffordert, eventuelle Sprengfallen zu beseitigen. Man akzeptiert auch die Misshandlung und Schikanierung von Palästinensern an Straßensperren.

Man darf hier aber nicht pauschalisieren. Es gibt selbstverständlich in der israelischen Gesellschaft genügend Leute, die diesen Prozess beobachten und sehen, wo man schon die Grenze überschritten hat. Diese Offiziere und Soldaten, die aufgerufen haben, keinen Dienst in den besetzten Gebieten zu leisten, sind ein Beispiel dafür. Aber die Unterstützung für diese Einstellung liegt zwischen 15 und 20 Prozent, die Mehrheit hält das für Verrat.

Mit der PLO und der PFLP hatte Israel früher säkulare Gegner. Mittlerweile sind religiöse Bewegungen an ihre Stelle getreten, deren Terror mit revolutionärer Gewalt nichts zu tun hat. Was bedeutet das für die israelische Linke?

Die Diskussion um die Grundsätze von Sozialismus und Antiimperialismus ist hier schon lange vorbei. Der Sozialismus ist nirgendwo mehr vertreten, weder auf der israelischen noch auf der palästinensischen Seite. Diejenigen, die nur aus diesem Grund die eine oder die andere Seite unterstützen, machen einen Fehler oder haben die Lage hier völlig missverstanden.

Dass es Terror von palästinensischer Seite gibt, ist unbestreitbar. Ich bin selbstverständlich nicht für Mord als politisches Mittel, aber der Terror ist ein Mittel, das man auch rechtfertigen kann. Die französische Revolution hatte ihre Art des Terrors rechtfertigen können. Nationaler Terror bekommt seine Rechtfertigung, wenn die nationalen Rechte nicht gewährleistet werden. Dann muss man sich selbstverständlich fragen, ob die Ziele gut gewählt wurden. Es ist die Tragik der palästinensischen Terrorwelle, dass sie sich beinahe immer gegen die Falschen richtet.

Die Siedlerbewegung, die militanten Kräfte in den Siedlungen, das israelische Militär in den Siedlungen werden nicht als hauptsächliche Ziele gewählt. Die Ursache ist, dass die Terrororganisationen heute ideologisch etwas flach sind. Das führt dann zur Ermordung von sechs Frauen in einer Woche, der Ermordung von jungen Leuten in Tel Aviv am Dolphinarium im Juni 2001 oder zum Attentat auf ausländische Arbeiter in der Mitte von Tel Aviv.

Wie konnte das religiöse Element so dominant werden?

Dort, wo die westlich orientierten Alternativen nicht als Lösung gelten können, versucht man wieder auf angebliche traditionelle Werte zurückzukommen. Da kommt der Fundamentalismus auf. Das gilt für den palästinensischen Islam, aber auch für das israelische Judentum. Deswegen ist es im Moment so schwierig. Der Islam versteht sich hier in der Region mehr und mehr fundamentalistisch, das Judentum auch. Da ist eine Kommunikation kaum möglich.

Das säkulare Element, das im Zionismus enthalten war, ist also gefährdet?

Das ist eben die Revolution, die heute stattfindet. Man spricht hier von Postzionismus. Das ist die Aufhebung des alten Zionismus und seine neue Formulierung. Im Zionismus war die Religion eine Privatsache, im Postzionismus steht sie im Vordergrund. Nicht die Religion in ihrer Vielfalt, sondern die orthodox-fundamentalistische Richtung in der jüdischen Religion.

Wäre demnach eine antizionistische Position heute verfehlt?

Die Kritik am guten alten Zionismus ist deswegen verfehlt, weil er nicht mehr vorhanden ist. Die europäischen Wurzeln des Zionismus, die auch imperialistisch gefärbt waren, spielen keine Rolle mehr. Heute dominiert die romantische Art der Rückkehr zur jüdischen Religion aus Abrahams Zeiten.

Welche Rolle spielt der Antisemitismus im Konflikt mit Israel?

Der Antisemitismus, der aus Europa kam, wurde von den Moslems dieser Region als Mittel der Argumentation gegen Israel adaptiert. Was jetzt passiert, ist ein Transfer des Antisemitismus von Europa in unsere Region. Hier wird er immer wichtiger, weil man eine Argumentation braucht, um gegen Israel zu kämpfen. Da holt man aus dem Arsenal des Antisemitismus die Stereotypen, die Argumente, die Schriften.

Bis hin zur Leugnung des Holocausts ...

Wenn schon, denn schon, da gibt es eine breite Palette. Die Araber wissen: Ein Argument zugunsten des Staates Israel ist die Schoah. Ergo versucht man nicht nur, aus der Schoah eine andere Schlussfolgerung zu ziehen, was auch möglich ist, sondern die Schoah zu leugnen.

Wie positionieren Sie sich als Linker in dieser Konfrontation?

Es geht nicht um die Palästinenser auf der einen und die Israelis auf der anderen Seite. Es gibt in beiden Gesellschaften noch Kräfte, die nicht fundamentalistisch denken und nach einer modernen Lösung des Problems fragen.

haGalil onLine 12-03-2002

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