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Der Duft des Aufbruchs
liegt in der Luft


Hunderte, Tausende und mehr: Die israelische Friedensbewegung teilt sich, um zu siegen

NAVID KERMANI / SZ

[Kol haSchalom / The Voice of Peace
Saut 'Salam / Music
]

Wenn Ihr es wollt, ist es kein Traum:
... but I'm not the only one!
Tausende demonstrieren in Tel Aviv für ein Ende der Besatzung...


Avnery









Aloni




Michael

Siehe auch
The rally was a good one:
The Square was full of People
Von allen hervorragenden Reden an diesem Abend, war die von Yishai
Rosen-Tzvi die eindrucksvollste:
"Es gibt Dinge, die ein anständiger
Mensch einfach nicht tut"...

Es gibt keinen Ort in Israel, der ferner sein könnte vom Elend der besetzten Gebiete, von der um sich greifenden Verwahrlosung in den Straßen von Hebron oder Ramallah, der depressiven Wut in den Gesichtern und Bewegungen, von den sogenannte Liquidationen, Bombardements und übrigen Morden, von den systematischen Demütigungen an den unzähligen Checkpoints, die das palästinensische Leben buchstäblich in Fetzen geschnitten haben. An einer Seite dieses Platzes steht das Museum für moderne Kunst, an der anderen das Stadttheater, und dahinter befinden sich die Oper, die große Bibliothek und die schicken Restaurants und Koffeeshops, die die Jungen, Schönen und Reichen von Tel Aviv in diesen Komplex futuristischer Architektur locken.

Wir und die anderen

In den Himmel ragen hier die Wolkenkratzer der Umgebung, Exponate nationaler Macht: symbolisiert das schlanke Graue als Sitz des Verteidigungsministeriums die Stärke der israelischen Nation, so stehen die hell erleuchteten Azriel-Türme für ihren Erfolg. Ein Ort des Wohlstands, des kultivierten Genusses, der Zivilisation: Nichts liegt hier in der Luft von dem Hass, den die Nation ein paar Dutzend Kilometer weiter östlich täglich destilliert, um ihn palästinensischen Demagogen zur Verfeinerung zu reichen, als handele es sich dabei um einen Zaubertrank, der gleich dem Gold im Märchen jenen Terror stetig erneuert, von dem die Extremisten beider Seiten leben. Nicht wäre an Krieg zu denken, wenn nicht die Reggaemusik und der Duft von Marihuana signalisierten, worum es an diesem Abend geht: um Frieden.

Scheint man anfangs unter Freunden zu sein, die sich von früheren Aktionen kennen und sich per Handschlag begrüßen, füllt sich der Platz gegen 19 Uhr immer mehr. Jemand auf der Bühne ruft mit zitternder Stimme die Zahl von 20.000 Teilnehmern ins Mikrophon – das staatliche Fernsehen will später nur wenige Hundert gesehen haben. Tatsächlich ist es die größte Friedensdemonstration in zwei Jahrzehnten in diesem Land von Juden und Palästinensern, die sich nur an die eigenen Opfer beharrlich erinnern, aber schon vergessen haben, dass sie vor wenig mehr als einem Jahr beinah Frieden geschlossen hätten. Warum die Verhandlungen gescheitert sind, ist den beiden Völkern längst zu zwei gegensätzlichen Mythen geronnen. Dann kam Scharon, eskalierte der Terror beider Seiten, kam schließlich der 11. September und eine amerikanische Regierung, die der einen Seite einen Freibrief ausstellte.

Paralysiert wirkten in den letzten Monaten die Kräfte des Ausgleichs. Was früher einmal als die israelische Linke galt, konkurrierte mit Scharon in martialischer Rhetorik oder verstummte. Es blieben ein paar hundert Friedensaktivisten, die Menschenrechtsorganisationen, eine verschwindende Minderheit unter den Politikern, Intellektuellen und Journalisten, die Buch führte über die Verbrechen ihres Staates.

Allmählich aber findet das Buch wieder Leser. Erstmals in seiner Amtszeit attestieren Meinungsumfragen Präsident Scharon die Unterstützung von weniger als fünfzig Prozent der israelischen Bevölkerung. Sein Vertrauen ist nicht wegen den Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten gesunken, sondern weil ausgerechnet er, der für Sicherheit zu sorgen angetreten ist, das verlustreichste Jahr seit zwei Dekaden zu verantworten hat. Zugleich aber beginnen die Bilder und Berichte von Hauszerstörungen in Palästina, von weinenden Greisen und getöteten Kindern, Wirkung zu zeigen. Zumindest den Lesern der regierungskritischen israelischen Presse wird es von Tag zu Tag schwerer gemacht, die Augen zu verschließen oder die Opfer wie in den rechten Medien als gefährliche Gewaltbestien zu dämonisieren.

Das linksliberale Establishment könnte es demnächst schon aus Gründen des politischen Selbsterhalts sinnvoller finden, sich von Scharon und den jetzigen Führern der Arbeiterpartei abzuwenden, um eine Alternative zur herrschenden Politik zu präsentieren. Dass vergangene Woche über zweihundert, zum Teil hochrangige Reservisten und Offiziere den Dienst in den besetzten Gebieten verweigert haben, weil sie „nicht ein ganzes Volk beherrschen, vertreiben, aushungern und demütigen wollen“, zeigt, wie sehr das Unbehagen an der israelischen Politik sogar innerhalb des Sicherheitsapparats wächst. „Wenn man Mensch sein will, muß man Gesetze und Befehle verweigern, die offenkundig unmenschlich sind“, ruft einer der Verweigerer, Yishai Rozen-Zwi, zu den Demonstranten in Tel Aviv.

Die Friedensbewegung, die am Samstag zur ersten Großkundgebung in Tel Aviv zusammenkam, ist jünger, in viele Grüppchen zersplittert und radikaler als ihre Vorgängerin: Die meisten der Redner und Zuhörer wollen kein Verhandlungen mehr, sondern einfach raus aus den besetzten Gebieten. Die eigenen Generäle und Politiker werden als Kriegsverbrecher denunziert, die Soldaten zum Desertieren aufgerufen. In den Gesprächen der Demonstranten, aber auch auf der Bühne fallen Begriffe wie Faschismus, Rassismus und Apartheid in solcher Frequenz, dass der auswärtige Besucher den Ohren nicht traut. Einige Demonstranten haben ihre Slogans gegen die Besetzung auf gelbe Judensterne geschrieben.

Die alte, die etablierte Friedensbewegung, die seit Monaten durch Untätigkeit auffällt, ist offenkundig verunsichert. Die liberale Meretz-Partei ruft nicht zur Demonstration auf und ist dennoch mit Plakaten präsent. Dem Bündnis Peace Now, dem es in den achtziger Jahren gelungen ist, Hunderttausende Israelis auf die Straßen zu rufen, um für den Abzug aus dem Libanon zu demonstrieren, hat vor lauter Nervosität am Vortag große Anzeigen plaziert, die zu einer alternativen Kundgebung aufrufen. Ihr neuer Slogan heißt „Return to ourselves“ und verrät damit einen entscheidenden Unterschied zu denen, die am Samstag in Tel Aviv demonstriert haben. Mag Peace Now formal auch arabische Israelis eingeschlossen haben, vertritt es praktisch ein Israel, das die 1967 besetzten Gebiete zurückzugeben bereit ist, ohne das eigene, jüdische Staatsverständnis anzutasten. „Ourselves“, das sind die jüdischen und – unausgesprochen – fast durchweg aschkenazischen Israelis.

Die unlängst gegründeten, kleineren Gruppierungen wie Ta’ayusch oder Gusch Shaloms setzen sich dagegen nahezu paritätisch aus Juden und Arabern zusammen. Auf der Kundgebung treten auch arabischsprachige Redner und eine Sängerin auf, selbst wenn sie nur eine Minderheit versteht. Verschleierte Musliminnen demonstrieren hier Seite an Seite mit „Lesben für den Frieden“. In den Erklärungen wird noch nicht an den Grundfesten des israelischen Staates gerüttelt, aber innerhalb der Gruppen wird schon aufgrund der Präsenz arabischer Aktivisten offen darüber diskutiert, dass die Verbrechen an den Palästinensern vielleicht nicht erst 1967, sondern schon 1948 mit ihrer Vertreibung begonnen haben könnten.

Ein neues Feuer

Die neue Friedensbewegung steht zu weit am Rande der israelischen Gesellschaft, als dass sie in absehbarer Zeit Massenkundgebungen zustande brächte. Aber sie hat es geschafft, einen Teil des ehemals linksliberalen Lagers wachzurütteln. Am nächsten Wochenende findet die alternative Kundgebung von Peace Now statt. Die meisten Demonstranten des vergangenen Wochenendes wissen, dass sie auch zu den vorsichtigeren Kriegskritikern gehen müssen, wollen sie politischen Einfluß üben. Wenn es der neuen Friedensbewegung tatsächlich gelingt, die alte wiederzubeleben, könnte jener Ruf sich wie ein Feuer ausbreiten, der allein in der Lage wäre, die Gewalt zu beenden, der Ruf nämlich nach dem Ende der Besatzung. Und so liegt an diesem Samstag abend in Tel Aviv neben Reggae und Marihuana noch etwas anderes, ungleich Kostbareres in der Luft: der Frieden. Es gibt keinen Ort in Israel, der näher an Palästina liegt.

Photos: coalitionofwomen4peace.org

haGalil onLine 10-02-2002

 

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