Der Frieden französisch jüdischer
und arabischer Intellektueller:
Auf dem Hintergrund der Gewalt
23 Januar 2002 (LE MONDE)
Sie sind hier, etwa dreißig, "Künstler und
Kulturschaffende", Juden und Araber, in einem pariser Café, am Dienstag
abend, den 22. Janauar. Glücklich endlich beisammen zu sein, um "etwas
zu tun". Weil, so steht es im Aufruf, den die Initiatoren des Treffens
verschickt haben, "die Situation im Nahen-Osten noch nie derart
besorgniserregend gewesen ist", weil "die immer unerträglicheren
Lebensbedingungen der Palästinenser uns vom Frieden entfernen".
Glücklich, aber auch zutiefst traurig: zwei Stunden zuvor
hat ein neues Attentat in West-Jerusalem stattgefunden: zwei Tote und
vierzehn Verletzte, israelische Zivilisten. Auch die Liste der
palästinensischen Toten hat sich an diesem Tag wieder verlängert.
Traurig, weil der "Import" des israelisch-palästinensischen Konflikts in
Frankreich besorgniserregende Proportionen annimmt, weil sie selbst, mit
ihrem eigenen Diskurs, sich zunehmend isoliert fühlen, in ihrer jeweils
eigenen "Gemeinde" unhörbar sind.
Anwesend sind Tahar Ben Jelloun, der Schriftsteller Hoda
Barakat, der Schauspieler Zindine Soualem (Inch Allah, Sonntag), der
Schriftsteller Jean-Pierre Gattegno, die Regisseure Simone Bitton, Denis
Amar und Eyal Sivan. Patrick Bruel (ein Sänger, Anm.d.Ü.), der wegen
einer Veranstaltung der "Restos du coeur" (Restaurants des Herzens, eine
alljährliche Einrichtung in den Wintermonaten: an allen möglichen Orten
in Frankreich wird gegen geringes Entgeld oder auch umsonst Essen
serviert, Anm.d.Ü.) in Marseille abwesend ist, hat sein Bedauern, nicht
dabei sein zu können, mitgeteilt. Pierre Arditi spielt "L'Ecole des
femmes" (von Molière, Anm.d.Ü.) in Aubervilliers. Jean-Jacques Goldman,
der Komiker Fellag, die Cineasten Yasmina Benguigui und Marcel Bluwal,
die Sängerin Sapho, der Schauspieler Roschdy Zem und andere haben
Grußadressen geschickt.
Was besorgt sie? Zunächst die Situation der
Palästinenser. Darüber stimmen alle mühelos überein. Es wird keinen
Frieden, nicht einmal eine Perspektive von Frieden geben ohne "den
sofortigen Abzug der israelischen Armee aus den 1967 besetzten Gebiete,
ohne den Abbau der israelischen Siedlungen" sowie ohne "die Errichtung
eines palästinensischen Staates neben dem Staat Israel". Sie verurteilen
die Politik Ariel Sharons, die nicht nur den Palästinensern gegenüber,
sondern auch "dem israelischen Volk" gegenüber kriminell" sei, da es den
Preis der Besatzung mit dem Tod unschuldiger Zivilisten bezahle". "Es
sind vor allem die Palästinenser, die unterstützt werden müssen, erklärt
Simone Bitton, denn, wenn es so weitergeht, werden sie erneut (aus ihrem
Land) vertrieben werden."
Sehr schnell verlagert sich der Diskussionsschwerpunkt
allerdings auf Frankreich, auf den Antisemitismusschub unter den jungen
Moslems, auf den "intellektuellen Terrorismus", den die jüdischen
Institutionen führen, gegen jeden, der eine kritische Meinung zur
unerschütterlichen Unterstützung Scharons kundtut. Tahar Ben Jelloun
will "in aller Bescheidenheit denjenigen, die für den Frieden kämpfen,
ein Zeichen schicken". Eyal Sivan spricht "von der zu leistenden
republikanischen Arbeit in der französischen Gesellschaft", damit
gezeigt werde, dass Juden und Araber "gemeinsam leben - und nicht nur
gemeinsam sterben können. Unsere Aufgabe ist es, sagt er, den
Antisemitismus zu bekämpfen und die Gleichsetzung Juden = Israel
anzugreifen".
Houda Barakat unterstreicht die Notwendigkeit für jeden
Einzelnen, ob Jude, Araber oder Muslim, sich zunächst an die eigenen
Leute zu wenden, um die Identitätsfixierungen zu überwinden, welche dem
rationalen Denken keinen Raum übrig lassen. Daraufhin debattieren alle
über die Möglichkeiten "dem Abrutschen unserer Jugendlichen
gegenzusteuern, die drauf und dran sind im "Communautarisme" (Fixierung
auf die jeweilige Herkunft, Anm.d.Ü.) unterzugehen".
Man ging auseinander mit dem Versprechen, einen Aufruf
"für einen gerechten und sofortigen Frieden im Nahen-Osten"
unterzeichnen zu lassen. Die Initiatorin des Treffens, die Journalistin
Olivia Zemor, beabsichtigt nun ein Treffen von französischen jüdischen
und arabischen Wissenschaftlern zu organisieren.
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29-01-2002 |