Moderne Zeiten:
Botschafterinnen des Guten Willens
Zachi Cohen, Jedioth
In einem fremden Land, auf dem
Höhepunkt eines Konflikts, mit dem sie nichts gemeinsam haben, leben
hier die Frauen der ausländischen Botschafter mit dem Ehemann, den
Kindern und vielen Brunchs und Lunches. Viele von ihnen haben
vielversprechende Karrieren aufgegeben, um Hebräisch zu lernen und
Telefongespräche mit besorgten Angehörigen zu führen, die in aller Welt
den Terror auf den Straßen Israels mitverfolgen.
Acht Ehefrauen ausländischer
Botschafter fassen ein nicht leichtes Jahr zusammen und erklären auch,
sehr diplomatisch, was sie wirklich von uns halten. Für Deutschland
sprach Jedioth achronoth mit Doris Müller, die im August letzten Jahren
nach Israel gekommen ist.
Doris Müller musste ihre Pläne
aufgeben, Gaza und Bethlehem zu besuchen, und ihre Streifzüge durch
Israel bleiben im Rahmen der Grünen Linie. Müller und ihr Ehemann sind
keine professionellen Diplomaten. Bis er nach Israel entsandt wurde, war
ihr Mann Parlamentarier, und sie moderierte eine politische Sendung im
RTL. Sie sehnt sich nach ihrer Arbeit: „Jetzt steht mein Mann vor den
Kameras und ich hinter den Kulissen, wie eine Produzentin“, sagt sie.
Müller lernt fleißig Hebräisch. „Ich
war im Supermarkt, als ich das erste Mal versuchte, Hebräisch zu
sprechen. Ich stand an der Kasse, und vor mir stand eine Frau mit ihrem
Einkaufswagen. Ich wollte Sie fragen, ‘Ist das Ihr Wagen?“. Ich schaute
sie an und sagte: ‘Bitte, Entschuldigung, ist das meiner?’ Sie glotzte
mich verdutzt an und wandte sich ab. Ich sprach sie noch mal an:
‘Entschuldigung! Bitte! Ist das meiner?’ Sie schrie mich an: ’Was wollen
Sie?’ Das war meine erste Erfahrung mit der hebräischen Sprache.
Was ist das komplizierteste Wort,
das Sie bisher gelernt haben?
„Verkehrsstau. (Pkak Tnua) Das
ist unheimlich schwer auszusprechen.“
Doris Müller setzt sich mit dem
Unterschied zwischen der scharfen Realität, wie sie täglich aus den
Berichterstattungen über Israel hervorgeht, und dem ziemlich eintönigen
täglichen Leben auseinander. „Meine Freunde in Deutschland rufen an und
fragen mich: ‘Wann kommst Du zurück? Du kannst bei uns wohnen.’ Sie
können den Aspekt des normalen Lebens hier in Israel nicht begreifen.
Wenn man in Deutschland Zeitung liest oder fernsieht, dann sieht man nur
Bomben, die explodieren, und Soldaten. Meine Freunde wollen mir nicht
glauben, dass das Leben hier so normal wie möglich weitergeht, sogar
nach dem Anschlag im Delphinarium.“
Das Ehepaar hat zwei Söhne im Alter
von fünf und acht Jahren. „Ich versuche, das alles von ihnen
fernzuhalten,“ sagt sie über ihre Entscheidung, die Kinder nicht über
die Einzelheiten des Konflikts zu informieren, „denn ich weiß nicht, wie
ängstlich sie reagieren würden, wenn sie genau wüßten, was passiert.“
Über die Vergangenheit hat sie dem Ältesten jedoch schon einiges
erzählt. Ich habe versucht, ihn auf den Holocaust-Gedenktag
vorzubereiten, an dem er als Deutscher eine besondere Rolle spielt. Ich
möchte, dass er weiß, wer Hitler war und was er getan hat.“
Sollte hier Krieg ausbrechen,
würden Sie das Land dann verlassen?
„Ja, natürlich. Ich muss für das
Wohlergehen meiner Kinder sorgen, und in einem solchen Fall stehen sie
an erster Stelle.“
Welches israelische Essen schmeckt
Ihnen besonders?
„Oliven und Granatäpfel.“
haGalil onLine
01-01-2002 |